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ermöglichen. Die Verbesserung des Funktionsalters verlangt daher nach einem
kurtypisch, ganzheitlich organisiertem Funktions- und Regulationstraining.
Die Strategien der kurativen Medizin sind auf das Defizitmodell von
Krankheiten ausgerichtet. Auch in der Präventivmedizin ist man auf die Früh-
diagnostik von Risikofaktoren nach dem gleichen Paradigma fixiert. Risiko-
faktoren gehören jedoch zum Defizitmodell Krankheit, Schutzfaktoren hingegen
sind dem Kompetenzmodell von Gesundheit zuzuordnen. Die Kurortmedizin
ist der Spezialist für die Entwicklung von Schutzfaktoren durch Training von
Kräften, Fähigkeiten und Kompetenzen.
Die Gerontoprophylaxe am Kurort hat einen besonderen strategischen Ziel-
katalog oder Schwerpunkt, das Training der Grundfunktionen des Lebens durch
Kuren. Dazu gehören die chronobiologische Ordnung des Tages, der Wochen
und des Jahres, die Ordnung des Schlafens, die Ordnung des Bewegungs-
verhaltens, die Ordnung der Ernährung und Verdauung, der Flüssigkeitsauf-
nahme, der Nierenfunktion und der Sexualität. Daraus ergibt sich die Notwen-
digkeit und Zweckhaftigkeit einer Vielfalt der Anwendungen und Strategien in
der Praxis der Gerontoprophylaxe am Kurort.
Mit der Thematik Chronobiologie und Alter befasste sich das Referat von
W. Marktl
. Die Chronobiologie weist auf die Zeitabhängigkeit biologischer
Vorgänge hin. Diese Zeitabhängigkeit äußert sich in zweierlei Hinsicht: Einer-
seits ist der Alterungsvorgang ein zeitabhängiger Prozess, der linear von der
Geburt bis zumTod abläuft. Andererseits manifestiert sich die Zeitabhängigkeit
imAuftreten von biologischen Rhythmen auf verschiedenen morphologischen
und funktionellen Ebenen des Organismus und im Auftreten von Rhythmen
mit unterschiedlichen Periodendauern von Millisekunden bis zu Jahren. In
diesem Zusammenhang wird sehr kennzeichnend von der Zeitstruktur des
lebenden Organismus gesprochen. Das Alter steht mit beiden Aspekten der
Chronobiologie in Beziehung.Wie gerade erwähnt ist der Alterungsvorgang an
sich ein chronobiologischer Prozess, es ändert sich aber auch die rhythmische
Zeitstruktur des Organismus des Menschen mit dem zunehmenden Alter. Eine
häufig beschriebene chronobiologische Veränderung bei alten Menschen ist die
Abflachung der Amplitudenhöhe circadianer Rhythmen, wobei dies vor allem
für Hormone gut dokumentiert ist. Die Höhe der Amplitude von biologischen
Rhythmen ist ein Maß für ihre Stabilität. Die circadianen Rhythmen haben
die Aufgabe, die endogenen funktionellen Rhythmen im Inneren des Organis-
mus optimal an die Rhythmen des natürlichen 24-Stunden-Tages und dessen
Anforderungen anzupassen. Eine altersabhängige Abflachung der circadia-
nen Amplituden bedeutet eine Labilisierung dieser Rhythmen und somit eine




