103
aufgrund ihrer großen Tradition, die unter gerontologischen und geriatrischen
Gesichtspunkten eine neue gesellschaftliche Wertschätzung verdient haben.
Angesichts der demographischen Entwicklung kann die Frage gestellt
werden, ob das Bemühen im Kurwesen nach vorwiegend jüngeren Gästen
als marktgerecht bezeichnet werden kann. Zweifelsohne ist das Interesse an
der Gesunderhaltung im Alter erst in der zweiten Lebenshälfte relevant und
motiviert erst dann zu größeren Ausgaben für die Gesundheit.
Im Hinblick auf den Begriff Alter können verschiedene Arten von Alter –
kalendarisches Alter, biologisches Alter, Funktionsalter – differenziert werden.
Für die Kur ist nicht das kalendarische Alter, sondern das biologische Alter von
Interesse, das in diagnostischen Parametern objektivierbar ist. Mit der Erkennt-
nis der Wichtigkeit des Funktionsalters sind die Möglichkeiten des Kurortes im
Bereich der Gero- und Gerontoprophylaxe verknüpft. Unter gerontologischen
Aspekten muss die Selbstverfügbarkeit und die Autonomie im Alter als über-
geordnetes Ziel eines Funktionstrainings genannt werden, unabhängig davon,
ob chronische Krankheiten mehr oder weniger den körperlichen Zustand
bestimmen. Das Erreichen dieser Ziele oder die Bewahrung dieser Fähigkeiten
bedeutet Pflegebedürftigkeit zu vermeiden.
Allerdings bewirkt die Heilsehnsucht des Menschen, dass Heil und somit
auch die Gesundheit immer zunächst durch ein Mittel, durch ein Heilmit-
tel, erreicht werden soll. Darauf beruht der ökonomische Erfolg von Auf-
bauspritzen, Hormonen, Radikalfängern, Antioxidantien, Vitaminen und
Spurenelementen. Der Profit und der Erfolg in der Anti-Aging Welle werden in
der Gabe von Hormonen wie Östrogenen, Androgenen, Wachstumshormon,
Dehydroepiandrosteron und von Vitaminen in hohen Dosierungen gesehen.
Bedauerlicherweise finden sich in der Werbung von Kureinrichtungen unter
dem Begriff Aufbaukuren Angebote, die diese Mittel anstelle eines kurtypischen
Trainings von Körperfunktionen durch Übung einsetzen.
Von wesentlicher Bedeutung erscheint die Tatsache, dass geistig aktive
Menschen mit einem breiten Interessensradius, einem weit reichenden Zukunfts-
bezug und guter sozialer Einbindung ein höheres Lebensalter bei psychophysi-
schemWohlbefinden erreichen als Menschen, die wenig Interessen haben und
eine geringere körperliche und geistige Aktivität aufweisen. Eine zeitgemäße
Kur für ältere Kurgäste muss sich daher auch im Bereich der Antriebsregulation
bewähren. Das Kompetenzmodell für Gesundheit besagt, dass Gesundheit in
allen Lebensphasen nicht grundsätzlich an das Fehlen von krankheitsbedingten
Defiziten gebunden, sondern das Ergebnis von Kräften und Fähigkeiten ist, die
ein alterstypisches Funktionsgleichgewicht in einer bestimmten Lebenssituation




