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Im letzten Vortrag des Symposiums referierte
W. Dür
über Gesundheits-
förderung und die Herausforderungen für die Gesundheit im 21. Jahrhundert.
Er wies auf die Tatsache hin, dass die Gesundheit des Menschen von gesell-
schaftlichen Bedingungen abhängt und bringt dies in Zusammenhang mit der
bekannten Veränderung des Krankheitsspektrums in der Bevölkerung. Die
chronischen Erkrankungen, die heute ein großes Problem des Gesundheitswe-
sens darstellen, haben mit der veränderten Lebensweise der Menschen in den
modernen Gesellschaften zu tun. Die medizinische und sozialwissenschaftliche
Präventionsforschung baute ihre Erwartung einer Verbesserung der Gesundheit
in der Bevölkerung vor allem auf zwei Potentiale:
a) auf die medizinische Forschung und die daraus resultierende Verbesserung
der Früherkennung und der medizinischen Interventionsmöglichkeiten,
b) auf die Lernfähigkeit der Menschen und die Veränderbarkeit von ungüns-
tigen und falschen Lebensweisen durch gesundheitliche Aufklärung und
Information.
Die Medizin ist allerdings – bei allen Erfolgen – an die Grenzen ihrer
Leistungsfähigkeit gestoßen. Mehr noch als ihre Leistungsfähigkeit ist die
Frage der Finanzierbarkeit in das öffentliche Interesse gerückt. Dazu kommt
der paradoxe Nebeneffekt, dass nicht trotz, sondern gerade wegen der Erfolge
der Medizin immer mehr Menschen in fortgeschrittenem Alter nicht mehr
behandelbare Erkrankungen erleben. So hilft die moderne Medizin zwar dem
einzelnen Menschen, schafft damit aber auch ein kollektives Problem, indem
in das System in der Zukunft nur umso mehr investiert werden muss, je mehr
in das System in der Gegenwart investiert wird.
Auch für die Strategie der Gesundheitserziehung muss ein ähnlich
ambivalenter Befund erhoben werden wie für Medizin. Auf der einen Seite ist es
gelungen wenigstens bei einemTeil der Bevölkerung Ernährungsgewohnheiten
und sportliche Aktivitäten in gesundheitlich günstiger Richtung zu verändern,
während auf der anderen Seite schädliche Verhaltensweisen wie Rauchen,
Alkohol- und Drogenkonsum nicht unter Kontrolle zu bringen sind.
Bestimmte sozioökonomische Trends, wie ein ausschließlich am „Share-
holder-Value“ orientiertes Wirtschaften, die Integration der Frauen in den
Arbeitsmarkt zu schlechten Bedingungen und die ungelösten familienpolitischen
Probleme, bringen Familien unter ökonomischen und in der Folge psycho-
sozialen Druck. Alle Tendenzen zusammen haben eine neue Armut entstehen
lassen, die sich in einer Aufsummierung vieler ungünstiger, die Gesundheit
belastenden Faktoren manifestiert.