Previous Page  3 / 48 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 3 / 48 Next Page
Page Background

Rechtsprechung des EuGH abgekommen ist. Aus Szpunars Blick-

winkel diene die Preisbindung primär der Verhinderung von Wett-

bewerb. „Es ist für mich schwer vorstellbar, warum bei einem

stärkeren Wettbewerb die Apotheker die Qualität ihrer Dienst-

leistungen vermindern sollten. Ich würde erwarten, dass das Ge-

genteil eintritt“, sagt der EuGH-Generalanwalt.

Der Gerichtshof in Luxemburg muss diesem Plädoyer nicht

folgen. Im Interesse einer geordneten und hochwertigen Arz-

neimittelversorgung wird er es hoffentlich auch nicht tun. Gleich-

wohl gilt es, das Signal aus Europa sehr ernst zu nehmen. Bis zum

Urteilsspruch ist es wichtig, dass wir uns Folgendes klarmachen:

Dass Arzneimittel als Güter besonderer Art einer Preisbindung

unterliegen, ist in Deutschland gesellschaftlicher Konsens, über

alle Parteigrenzen hinweg. „Drastische Eingriffe Brüssels in die

einzelstaatlichen Gesundheitswesen werden den historisch ge-

wachsenen Systemen ohnehin nicht gerecht und fördern im un-

günstigen Fall nur antieuropäische Ressentiments“, hat unlängst

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt ausgeführt. Dem ist nichts

hinzuzufügen.

Die politischen Entscheider in Deutschland wissen genau,

dass die Apothekerinnen und Apotheker für eine weiterhin ver-

lässliche Arzneimittelversorgung vor allem eines brauchen: ord-

nungspolitische Planungssicherheit. Und sie wissen um die Be-

reitschaft unseres Berufsstandes, für seine Kernüberzeugungen

und damit auch für die Arzneimittelpreisverordnung zu kämp-

fen, wenn es nötig ist. Ob es überhaupt nötig wird, wird sich im

Herbst dieses Jahres erweisen.

Mit freundlichen, kollegialen Grüßen

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Anfang Juni dieses Jahres ist gleichsam ein altes Gespenst zurück-

gekehrt – das Gespenst der Aufweichung des deutschen Arznei-

mittelrechts durch die Europäische Union.

Was ist der Hintergrund dieses Verfahrens? Seit einiger Zeit

streiten die Wettbewerbszentrale und die Deutsche Parkinson

Vereinigung miteinander. Letztere hatte ihren Mitgliedern ein

mit der Versandapotheke DocMorris vereinbartes Bonussystem

angepriesen. Für die Bestellung von rezeptpflichtigen Parkinson-

Arzneimitteln sollten Neukunden einen Rezeptbonus von fünf

Euro für die Erstbestellung erhalten, für Folgebestellungen 2,50

Euro pro Rezept und zusätzlich einen Bonus von 0,5 Prozent des

Arzneimittelwertes. Aus Sicht der Wettbewerbszentrale ist das

unzulässig: Auch ausländische Versandapotheken müssen sich

an das deutsche Preisrecht halten.

Nach einem Urteil in erster Instanz zugunsten der Wettbe-

werbszentrale ging die Parkinson Vereinigung mit DocMorris in

die Berufung vor das Oberlandesgericht Düsseldorf. Die Richter

hier wollen aber erst dann ein Urteil fällen, wenn sie eine Ein-

schätzung des EuGH in der Frage erhalten, ob die Preisbindungs-

vorschriften für Rx-Arzneimittel in Deutschland die Warenver-

kehrsfreiheit beschränkt – und falls ja, ob eine solche Maßnahme

aus Gründen des Gesundheitsschutzes dennoch gerechtfertigt

ist.

Im Herbst wird der EuGH hierzu sein Urteil fällen. Vor der

Urteilsverkündung ist es üblich, dass der Generalanwalt am

EuGH sein Plädoyer abgibt. Dies hat Maciej Szpunar Anfang Juni

getan und sich in deutlichen Worten gegen die deutsche Arz-

neimittelpreisbindung ausgesprochen. Das ist insofern erstaun-

lich, als er sich damit nicht nur in Widerspruch zum politischen

Grundkonsens und der höchstrichterlichen Rechtsprechung in

Deutschland gestellt hat, sondern auch vom Pfad der bisherigen

Vertrauen in die

Vernunft der Richter

Editorial

Gabriele Regina Overwiening

Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe

E-Mail:

praesidium@akwl.de

EDITORIAL

AKWL

Mitteilungs

blatt

03-2016 /

3