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und selbstbestimmtem Leben im

Weg stehen.

Altenpflege in Indien

Lediglich 214.000 Menschen sind

in Indien in Alteneinrichtungen

untergebracht. Sie werden von

Hilfsorganisationen oder katho-

lischen Ordensgemeinschaften

betrieben. Drei solcher Einrich-

tungen betreuen die Schwestern

der Ordensgemeinschaft ‚Cong-

regation of Teresian Carmelites‘. In

Indien versorgen sie rund 100 alte

Menschen. Die Häuser sind nach

Geschlechtern getrennt. Die Tere-

sianischen Karmelitinnen kümmern

sich um die Seelsorge, bieten den

alten Menschen einen Schlafplatz

sowie regelmäßige Mahlzeiten an

und passen auf sie auf. Indische

Alteneinrichtungen lassen sich je-

doch nicht an deutschen Standards

messen.

Die Kosten für medizinische Ver-

sorgung und die Pflege bei Krank-

heit übernehmen in der Regel die

Familien. Oder die Leistungen wer-

den aus Spenden und aus eigenen

Mitteln finanziert. Das Geld, das die

Ordensfrauen in Deutschland und

anderswo auf der Welt verdienen,

fließt zu einem großen Teil in carita-

tive Projekte: in die Versorgung von

Alten und Schwachen oder in die

Schul- und Ausbildung von Kindern

oder jungen Menschen aus armen

Verhältnissen.

Ein Teil der rund 1.000 Altenein-

richtungen in Indien bieten ledig-

lich sichere Schlafplätze an. Für

ihre Mahlzeiten müssen die alten

Menschen arbeiten, ihre Familien

versorgen sie oder sie gehen tags-

über betteln. Angesichts dieser Zu-

stände werden die Rufe von Hilfs-

organisationen wie ‚help age India‘

lauter, die mehr gesellschaftliche

Unterstützung fordern.

Fachkräftemangel

In Indien gibt es in den staatlichen

Krankenhäusern zu wenig Ärzte und

Pflegemitarbeiter. Generell kommen

diese in einer der zahlreichen, gut

zahlenden privaten Kliniken unter

oder sie suchen im Ausland ihr

berufliches Glück. Über typische

Alterserkrankungen weiß man we-

nig. Nur vier Universitäten auf dem

Subkontinent bieten Geriatrie als

Lehrfach an, pro Jahr absolvieren

acht Ärzte eine Weiterbildung zum

Facharzt für Geriatrie.

Das Berufsbild ‚Altenpflege‘ existiert

gar nicht. Menschen zu waschen

und zu pflegen gilt in der hindu-

istisch geprägten Gesellschaft als

eine niedere Arbeit, die man den oh-

nehin schlecht angesehenen allein-

stehenden Frauen überlässt, wenn

nicht innerfamiliär eine Lösung ge-

funden werden kann. Dagegen sind

Gesundheits- und Krankenpfleger

in Indien heute gefragte Fachkräfte.

Ihre Ausbildung in den staatlichen

oder von Orden geleiteten Schu-

len ist anspruchsvoll und schließt

mit einem Bachelor ab, was die

Arbeitskräfte für das Ausland inter-

essant macht. Infusionen anlegen,

Medikamente verordnen und den

Angehörigen Auskunft in allen me-

dizinischen Belangen geben, gehört

für eine indische Pflegekraft zum

Tagesgeschäft, denn dafür sind die

Ärzte nicht zuständig. Die Grund-

pflege der Patienten – beispielswei-

se das Waschen, Essen anreichen,

An- und Ausziehen – übernehmen

Angehörige oder Hilfskräfte. Doch

können es sich nur die wenigsten

Inder im Krankheitsfall oder im Alter

leisten, auf ausreichende medizini-

sche Versorgung und Pflegeleis-

tungen zurückzugreifen. So lange

Politik und Gesellschaft ihre Verant-

wortung für Alte und Kranke nicht

wahrnehmen, wird sich die Zahl der

Obdachlosen über 60-Jährigen auf

den Straßen indischer Städte und

Dörfer weiter erhöhen.

Senioreneinrichtung

der Teresian Carmelites

Leben auf der Straße

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CellitinnenForum 3/2019