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14 Tage waren wir unterwegs:

Veronika, Oskar, Martin und ich,

Elke. Gepilgert waren wir schon

einige Male gemeinsam nach Trier,

nun nahmen wir uns eine größere

Strecke vor. Von Porto aus ging es

Richtung Norden nach Santiago de

Compostela.

„Da wohnt ein Sehnen tief in uns,

oh Gott, nach dir sich zu sehnen,

dir nah zu sein, es ist ein Sehnen,

ist ein Durst nach Glück, nach Lie-

be, wie nur Du sie gibst.“ Dieser

Refrain eines Jugendchorliedes war

uns Impuls und Motto. Zunächst

führte uns die Muschel, das un-

trügliche Zeichen, dass man sich

auf dem Jakobsweg befindet, an

der Küste Portugals entlang. Die

Aussichten auf den weiten Atlantik

waren beeindruckend. Neben dem

wunderschönen Weg, der uns ab

der spanischen Grenze durch das

grüne Galizien leitete, genossen wir

das leckere Essen und den guten

Wein (in Portugal vinho verde, in

Galizien Ribeiro) gemäß dem alten

spanischen Pilgerspruch „Con pan

y vino se hace el camino“ (Mit Brot

und Wein macht man den Weg).

Denn Pilgern heißt für mich nicht

Entsagen, sondern ‚Ja sagen‘ zu

dem, was der Weg zu bieten hat.

Eine Pilgerschaft beginnt schon vor

der Reise: Mit dem Packen des

Rucksacks. Nur das Nötigste darf

mit: Waschbeutel, Blasenpflaster,

Schlafsack, Isomatte, Regencape

und Wechselwäsche. Für viele si-

cher ungewohnt: Pilger reservieren

keine Unterkünfte. Die Erfahrung,

dass auch so für alles gesorgt sein

wird, tut uns durchgeplanten und

organisierten Menschen gut. Sie

lässt uns Spielraum für Unerwar-

tetes, macht uns frei und lässt uns

eintauchen in eine andere zeitliche

Dimension. Wir ließen uns Zeit,

schafften pro Tag rund 20–25 Ki-

lometer, besichtigten auch die eine

oder andere Sehenswürdigkeit ent-

lang der Strecke und genossen die

Gastfreundschaft der Portugiesen

und Spanier in den Pilgerherber-

gen. Gestärkt mit einemGebet und

ausgestattet mit dem Pilgersegen

brachen wir morgens auf. Der ‚Ca-

minho Portugues‘ ist im Übrigen

auch für nicht so geübte Wanderer

sehr gut zu laufen – und er ist nicht

so voll wie der ab Frankreich durch

Nordspanien verlaufende ‚Camino

Francés‘, den ich auch bereits ge-

gangen bin.

Nach 14 Tagen hatten wir unser

Ziel erreicht. Wir standen vor der

imposanten Kathedrale in Santiago

de Compostela und waren in Ge-

danken bei einer Zeile aus einem

unserer Gebete: „Und wenn das

Ziel erreicht ist, umarme dich die

Liebe allezeit.“ Umarmt und geliebt

hieß es Abschied nehmen – doch

ich fühlte schon die Vorfreude auf

das nächste Mal, denn nach dem

Camino ist immer auch vor dem

Camino.

Elke Richter

Gesundheits- und Krankenpflegerin

am St. Franziskus-Hospital

Spüre die eigene Kraft

Auf Pilgerschaft von Porto bis Santiago de Compostela

Kultur | Freizeit

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Die Pilgergruppe

um Elke Richter

(re.)

CellitinnenForum 3/2019