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36

GOLF TIME

|

2-2016

www.golftime.de

RUBRIK |

ARTIKEL

W

ir haben uns wirklich vor-

genommen,

mit

unserem

selbstgebauten

Zeitmaschi-

nen-Prototyp „GOLF TIME

MACHINE“ vorsichtiger umzugehen. In

der Vergangenheit bzw. der daraus resultie-

renden Zukunft sind zu viele unerwünschte

Nebeneffekte unserer Ausflüge aufgetreten.

Ihnen wird diese Gegenwart natürlich ganz

normal vorkommen, doch aufgrund eines

„bedauerlichen Versehens“ im schottischen

Mittelalter muss ein Golfplatz nun 18 statt

zehn Löcher aufweisen. Auch für das kom-

plett unsinnige englische Maßsystem ent-

schuldige ich mich bei Ihnen, aber das ist

eine andere Geschichte.

Wie wir im letzten Monat jedoch auf die

völlig bescheuerte Idee kamen, ausgerechnet

mit John Daly in die Vergangenheit zu rei-

sen, kann ich beim besten Willen nicht mehr

rekonstruieren. Ich erinnere mich nur noch

an diese Bar, den dicken, wasserstoffblonden

Kerl und einen Kostümverleih!

Als ich wieder halbwegs klar im Kopf bin,

stehe ich neben Daly vor dem Clubhaus des

St. Andrews Old Course. Er trägt einen al-

tertümlichen Zweireiher mit Krawatte, auf

dem Kopf eine Melone. Zudem hat er sich

einen gewaltigen Schnauzer ins Gesicht

geklebt. Der Aufzug wirkt unglaublich

lächerlich, doch bevor ich Gelegenheit habe,

eine spöttische Bemerkung abzusondern,

entdecke ich, dass ich in etwa die gleiche

Garderobe zur Schau stelle.

Daly spricht gerademit einemjungenMann,

den er mir als Robert Tyre Jones Jr. vorstellt.

„Bobby! Nennen Sie mich Bobby“, meint

Jones und schüttelt meine Hand.

Ich nehme Daly kurz zur Seite und frage

ihn: „John, was geht hier vor?“

„Weißt du echt nichts mehr?“, wundert

sich mein Saufkumpan von einem erst fern-

zukünftigen Gestern. Ich erfahre, dass ich

Daly in der Bar wohl vom Alkohol bene-

belt von der Zeitmaschine vorgeschwärmt

haben muss. Bobby Jones ist das große Idol

des Open Champion von 1995. Mit einigen

Freigetränken brachte er mich dazu, dem

legendären Golfer der Zwanzigerjahre einen

Besuch abzustatten. Daly wollte Jones unbe-

dingt dazu überreden, noch einmal den Old

Course zu besuchen, dem dieser nach seinem

einzigen Besuch in St. Andrews 1921 auf

Nimmerwiedersehen den Rücken gekehrt

hatte. Offenbar hat Daly Erfolg gehabt.

„Welches Jahr haben wir“, will ich wissen,

als Daly eine schmale Ledertasche voller

historisch wirkender Golfschläger schultert.

„1927, der 6. Juli – nächste Woche findet

hier die Open statt und Bobby sollte unbe-

dingt dabei sein!“

Achselzuckend trabe ich hinter den bei-

den her. Eine Golfrunde mit Bobby Jones

und John Daly auf dem Old Course im Jahr

1927, was soll da schon schiefgehen?

Gerade als Bobby mit seinem Driver aus

Persimmonholz zuschlagen will, rast eine

imposante Limousine über den Asphaltweg,

der quer durch das Fairway der ersten Spiel-

bahn verläuft. Mit quietschenden Reifen

kommt das offene Gefährt zum Stehen. Ein

elegant gekleideter Herr springt heraus, der

mit wedelndenArmen direkt auf uns zu läuft,

während ein indisch aussehender Mann eine

Golftasche hinter ihm her schleppt.

„Der verdammte Walter Hagen!“, zischt

Bobby Jones, „woher weiß der Kerl, dass ich

hier bin?“

Daly zwinkert mir breit grinsend zu und

mein schnapsgemartertes Hirn zählt eins

und eins zusammen. „Bobby“, quäkt Hagen,

es klingt wie „Baaabbüüü“. Jones’ Miene

verdüstert sich zusehends.

„Hast du dich verlaufen?“, ruft der Neuan-

kömmling quer über den Platz. „Ich dachte,

du und diese Wiese sind fertig miteinander?“

In den folgenden fünf Minuten muss Daly

mit Engelszungen auf Bobby Jones einreden,

um diesen zum Bleiben zu überreden. Offen-

bar hat sich John zuvor als Gönner von Bobby

Jones’ Studentenverbindung ausgegeben und

eine hohe Geldspende in Aussicht gestellt,

wenn sie gemeinsam den Old Course spielen

würden. Gleichzeitig hat er heimlich Walter

Hagen informiert, demMatch beizuwohnen.

„Ich wette, du traust dich nicht, hier

gegen mich anzutreten. Es gibt eben Plätze

und Gegner, denen geht selbst ein Bobby

Jones lieber aus dem Weg“, heizt Hagen die

Stimmung an.

„Sie überschätzen sich, mein Herr“, erklärt

Daly und mimt den Gentleman von Welt.

„Ich wette 5.000 Dollar, dass Robert Sie in

die Schranken weisen wird. Und weitere

5.000, dass ich Sie ebenfalls schlage.“

„So viel Geld! Wie aufregend!“ Hagen gibt

ein gespieltes Quieken von sich.

Im folgenden Moment der Stille blicken

alle gespannt auf Jones. Widerwillig stimmt

der schließlich zu.

FANTASY MATCHPLAY

SCIENCE FICTION

Mit John Daly, Bobby Jones

und Walter Hagen in St. Andrews – was für eine

explosive Mischung!

Von Götz Schmiedehausen

JOHN DALY

JAHRGANG:

1966

SIEGE IN ST. ANDREWS:

Open Championship 1995

BESONDERHEITEN:

War bzw. ist süchtig

nach Alkohol, Zigaretten, Cola-Light,

Schokolade, Sex, Glücksspiel. Hersteller

des Alko-Pop-Drinks „John Daly Cocktail“

in drei (bizarren) Geschmacksvarianten,

semiprofessioneller Country-Musiker