GOLF TIME
|
2-2016
37
Endlich beginnt das Match. Jones und Ha-
gen schlagen ihre Bälle etwa 200 Meter weit
in die Mitte des breiten Fairways. John Daly
produziert einen monströsen Drive, der
kurz vor dem Flüsschen Burn unweit des
Grüns liegenbleibt.
Hagen pfeift anerkennend durch die
Zähne. „Hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut,
alter Junge.“
Jones und Hagen legen ihren Ball sicher
auf das Grün jenseits des Wassers, Daly
toppt sein kurzes Eisen jedoch und verfehlt
das Ziel um gut 20 Meter.
„Ja, den Niblick muss man beherrschen“,
kichert Hagen, während Daly fluchend zu
seinem Ball stapft. Sein exzellenter Chip
zurück auf das Grün bleibt direkt am Loch
liegen. Hagen klatscht beifällig und bedeu-
tet John, dass er ihm den Putt schenkt.
Dann macht er sich daran, seine Puttlinie zu
lesen und schickt seinen Ball schließlich auf
die Reise. Dieser trifft das Loch mittig zum
Birdie. Jones, der nur etwa drei Meter vom
Loch entfernt liegt, tut es ihm gleich.
„Schlückchen gefällig? Ist ja bei euch noch
verboten, oder?“, fragt Daly beiläufig und
hält Hagen eine Flasche „John Daly Cock-
tail“ unter die Nase.
„Ah, einMann nachmeinemGeschmack“,
freut sich der zu diesem Zeitpunkt acht-
fache Majorsieger und untersucht das Eti-
kett. „Selbstgebrannt? Da steht sogar Ihr
Name drauf! Himbeer Tee & Limonade? Was
für eine großartige Tarnung!“
Hagen nimmt einen tiefen Schluck. „Hui!
Für einen Moonshine richtig gut. Etwas süß,
aber...“ Hagen setzt erneut an. „Teufel noch-
mal, tut das gut. Verdammte Prohibition!“
Bobby Jones blickt missbilligend
auf das Treiben. Mir fällt auf, dass
Daly ihm die Flasche nicht anbietet.
Anders als seine beiden kichernden Mit-
spieler trifft er das Fairway der nächsten Bahn.
„Und du wolltest nie Golfprofi sein?“,
lenke ich Jones von Daly und Hagen ab, die
erneut die Flasche kreisen lassen.
„Und so werden wie dieser aufgeblase-
ne Rohling Hagen?“, antwortet Jones, „auf
keinen Fall! Ich werde Jurist.“
Nachdem Daly einen Countrysong an-
stimmend Jones Blickfeld passiert hat,
wundert der sich hörbar: „Und John Daly ist
wirklich ein Philister meiner Verbindung?
Womit verdient er sein Geld?“
„Na ja, eigentlich ist er auch Golfprofi“,
höre ich mich sagen. „Aber seine vier Ex-
frauen haben ihn ganz schön geschröpft.
Dannhat er esmitGlücksspiel versucht, dabei
hat er ein paarMillionen verloren. Jetzt macht
er Musik, verkauft Alkohol und bunte Hosen.“
„Es war ein Fehler, hierherzukommen“,
sagt Bobby mehr zu sich selbst als zu mir.
„Ich nehme das nächste Schiff zurück in die
Staaten.“
Jones hebt seinen Ball auf und mar-
schiert davon. Ich drehe mich hilfe-
suchend um und sehe gerade noch,
wie Daly dem vor Lachen wie-
hernden Hagen seinen falschen
Schnurrbart anheftet, um bes-
ser aus der Flasche trinken zu können. Ich
renne hinter Jones her und hole ihn kurz vor
dem Clubhaus ein.
„St. Andrews und ich, wir werden nie
Freunde. Hoffentlich geht heute noch ein Zug.“
„Aber Bobby, nächste Woche findet hier
die Open statt, du bist der Titelverteidiger“,
versuche ich ihn zu überzeugen. „Willst du
wirklich diesem Hagen deine Trophäe über-
lassen? Oder gar Daly?“
„Diesem Clown?“, schnaubt Bobby. „Der
darf niemals Hand an den heiligen Claret
Jug legen!“ Ich versuche mir erfolglos ein
Grinsen zu verkneifen.
Am Abend finde ich John Daly in einem
Gasthaus. Fröhlich johlend begrüßt er mich.
„Mission erfüllt!“, verkündet er lachend.
„Walter Hagen ist sein Geld los und wird
diese Open definitiv nicht gewinnen – die
R&A hat ihn für die kommende Woche
suspendiert. ‚Die Swilcan Bridge sei keine
öffent-liche Bedürfnisanstalt’, heißt es in
der offiziellen Begründung. Und Jones hat
für die Open gemeldet. Übrigens, weißt du,
warum er so plötzlich verschwunden ist?“
„Na ja, wahrscheinlich war ihm nicht gut“,
lüge ich, ohne rot zu werden. Zudem ver-
schweige ich John, dass Bobby Jones mir von
seinem Traumgolfplatz in Augusta erzählt
hat. Ursprünglich sollte es eine Anlage wer-
den, die für jedermann zugänglich sein sollte.
Jetzt meint Jones jedoch, dass er daraus den
privatesten aller Privatclubs machen werde,
um „Rohlinge und Clowns wie Hagen und
Daly“ fernzuhalten. Aber ich bin mir sicher,
sein Zorn wird bis zur Eröffnung in etwa
sechs Jahren verraucht sein. Immerhin ist
der Augusta National doch der beliebteste
öffentliche Golfplatz in den Staaten…
GT
BOBBY
JONES
JAHRGANG:
1902
SIEGE IN ST. ANDREWS:
Open Championship 1927,
British Amateur 1930
BESONDERHEITEN:
13facher Majorsieger inkl.
Grand Slam 1930, gab nie
seinen Amateur-Status
auf, Gründer des Augusta
National
WALTER
HAGEN
JAHRGANG:
1892
SIEGE IN ST. ANDREWS:
Keine
BESONDERHEITEN:
Der elffache
Majorsieger galt als neureicher
Flegel. Sein Wahlspruch lautete:
„Ich wollte nie Millionär werden, nur
wie einer leben.“