Previous Page  12 / 72 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 12 / 72 Next Page
Page Background

Was bewegt Menschen in jeder Hin-

sicht überall und jederzeit? Sicher

ist es die Sehnsucht nach einemmit

Sinn erfüllten Leben, nach Liebe,

Zuwendung, nach tragfähigen zwi-

schenmenschlichen Beziehungen.

Zugleich macht jeder die Erfahrung,

dass diese wesentlichen Lebens-

werte nicht planbar, nicht ‚zu ma-

chen‘ sind. Kann man angesichts

solcher Begrenzungen gelassen

bleiben oder werden? Aus christli-

cher Sicht gelingt dies im Vertrauen

darauf, dass Gott alle menschlichen

Lebenswege begleitet. Der Glaube

an Gottes Verheißung geht einher

mit der Gelassenheit im Fortgang

des Lebens: „Ich bleibe derselbe,

so alt ihr auch werdet, bis ihr grau

werdet, will ich euch tragen. Ich

habe es getan, und ich werde euch

weiterhin tragen, ich werde euch

schleppen und retten.“ (Jes 46,4)

Der hl. Augustinus (354–430) hat

in den ‚Confessiones‘ (‚Bekennt-

nisse‘) seinen Lebensweg bis zu

seiner Bekehrung zumChristentum

beschrieben. Rückhaltlos schildert

er sein Suchen nach der Wahrheit,

gesteht offen seine Irrwege und

Fehler ein und legt dann dar, wie

er Glück, Ruhe und Gelassenheit

in der völligen Hingabe an Gott ge-

winnen konnte. In dieser Erkenntnis

formuliert er zu Beginn des Buches

den berühmten Satz „Herr, du bist

groß… wir sollen dich loben aus

fröhlichem Herzen, denn du hast

uns auf dich hin geschaffen, und

unser Herz ist unruhig, bis es Ruhe

findet in dir.“ (Bekenntnisse I, 1)

Augustinus berichtet über sein be-

wegtes Leben. Als junger Mann

nimmt er mit, was sich ihm anbietet.

Lange Jahre fällt es ihm schwer,

sich in der von vielen Einflüssen und

Strömungen gekennzeichneten

Welt der Spätantike zu orientieren

und festzulegen. Er ist stets auf der

Suche nach der Ruhe des Herzens,

er sucht sie imGenuss des Lebens,

er sucht sie in den religiösen und

philosophischen Strömungen sei-

ner Zeit, aber auch in seiner Karriere

als Rhetorikprofessor.

Mit seiner Bekehrung hat er die

Quelle der Gelassenheit gefunden:

Gott ist die Wahrheit, die Güte und

die Schönheit selbst, nach der sich

das Herz des Menschen sehnt. Nur

wer an Gott glaubt, auf ihn hofft und

ihn liebt, nur der wird ruhig und hat

seine endgültige Sicherheit gefun-

den. In dieser Gelassenheit findet

Augustinus seine Freiheit wieder,

die er durch die Bindung an die vor-

dergründigen Dinge verloren hatte.

Reichtum, Ansehen und Besitz sind

für ihn „all die Nichtigkeiten, die mir

so sehr am Herzen lagen, die ich so

Heute, nur heute werde ich …

Gelassenheit aus geistlicher Perspektive

Der hl. Augustinus

(Ausschnitt aus dem Flügelretabel von Michael Triegel)

12

Titel | Thema

CellitinnenForum 3/2018