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und Römer nicht aus. Während

sich der Theologe auf die Allmacht

Gottes berief, fühlten sich die Stoi-

ker eingebettet in etwas Großes,

Wohl- und Übergeordnetes: den

Kosmos. In diesem System seien

Schicksalsschläge nur als vorüber-

gehend zu betrachten. Nach mehr

als 2.000 Jahren Gelassenheitsde-

batte haben sich die Fundamente,

auf der sie steht, geändert – oder

besser: erweitert. Gott wie Kosmos

sind für viele Menschen der west-

lichen Welt nicht mehr Dreh- und

Angelpunkt ihres Denkens. Wäh-

rend sich Gläubige auch in der

Frage der Gelassenheit der gött-

lichen Macht sicher sind, beziehen

sich nicht-gläubige Menschen auf

Werte und Konventionen, die sich

zwar mit der Zeit ändern, aber im-

merhin für den Moment Gültigkeit

besitzen.

„Sei wie ein Fels, an dem sich be-

ständig die Wellen brechen! Er bleibt

stehen, während sich rings um ihn

die angeschwollenen Gewässer le-

gen.

(Marc Aurel)

Die alltagstaugliche Philosophie der

Gelassenheit als Wunschzustand

überdauerte die Jahrhunderte. Ein-

zig die Denker und Literaten des

‚Sturm und Drang‘, wie der jun-

ge Goethe oder Friedrich Schiller,

konnten mit der Gelassenheit gar

nichts anfangen. Sie traten in ihren

(frühen) Werken für die Hitze der

Gefühle ein und unterstellten der

Gelassenheit Dickfelligkeit, Gleich-

gültigkeit, Kaltblütigkeit, Teilnahms-

losigkeit oder Untätigkeit. Mit ihrer

Kritik trafen sie die Achillesferse

der Gelassenheit, denn sie zeigten

deren Grenze auf. So reagiert ein

Vorgesetzter, der über Beschwer-

den seiner Mitarbeiter mit einem

Achselzucken hinweggeht, nicht

mehr gelassen, sondern besten-

falls gleichgültig. Eltern, die ihre

Kinder täglich stundenlang vor dem

Fernseher parken, muss man Faul-

heit und Teilnahmslosigkeit unter-

stellen, statt eines gelassenen Um-

gangs mit der Technik. Will sagen:

Treibt man die Gelassenheit zu

weit, kippt sie ins Negative.

Doch es ging den Philosophen

bis in die Moderne nie allein um

das Wohlbefinden des Individu-

ums, sondern darum, in der Welt

das Richtige zu tun, indem man

das Handeln reflektiert und dann

mit Bedacht entscheidet. Helmut

Schmidt schien manchen oft zu be-

herrscht, fast kaltherzig. Tatsäch-

lich ging es ihm nach eigener Aus-

sage darum – wie Marc Aurel, an

dessen Schriften er sich orientier-

te – das seelische Gleichgewicht zu

bewahren, um seine Aufgaben an-

gemessen erfül-

len zu können. In

der Fremdwahr-

nehmung wirkt

die Gelassenheit

auf andere nicht

selten irritierend,

emotions- oder

antriebslos, ob-

wohl sie das

nicht ist. Sie weiß

ihre Gefühle nur

zu kontrollieren

und lässt sich

möglichst nicht

zu unbedachten

Handlungen hin-

reißen.

Gelassenheit verheißt einen Anker

in unserer rastlosen, reizüberfluteten

modernen Welt

(Wilhelm Schmidt)

Und heute? Wie viel Raum geben

wir der Gelassenheit? In einer seit

der Industrialisierung sich immer

schneller drehenden Welt scheint

das Machen heute zwingend, das

Lassen hingegen unzeitgemäß.

Dennoch – oder gerade deshalb? –

sind die Regale in Buchhandlungen

mit Ratgebern zu Gelassenheit im

Alltag gut gefüllt. Je turbulenter die

Zeit, desto größer ist die Nachfrage

nach einem gelassenen Umgang

mit ihr. Doch entpuppen sich viele

der gut gemeinten Ratgeber als blo-

ße Lektüre zur Selbstoptimierung

oder als Anleitung zur Entspannung.

Ihnen fehlen außerdem die Wurzeln,

die die Gelassenheit braucht, um

wachsen zu können: Die Gewiss-

heit, dass ich, egal was passiert,

von einer tragenden Kraft gehal-

ten werde. Für gläubige Menschen

kommt diese Kraft von Gott.

Meister Eckhart

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Titel | Thema

CellitinnenForum 3/2018