Sommerzeit – viele haben die Ferien
bereits hinter sich, andere packen
in diesem Moment die Koffer, um
für zwei oder drei Wochen den nor-
malen Alltagswahnsinn hinter sich
zu lassen: Stress im Beruf, in dem
die Anforderungen immer höher
gesteckt zu werden scheinen, die
Sorgen um die schulischen Leis-
tungen des Nachwuchses oder um
die pflegebedürftigen Eltern und
die digitale permanente Verfügbar-
keit bleiben idealerweise zu Hause.
Sie warten dort, um uns dann, un-
geduldig und ein wenig beleidigt,
schon vor der Haustür zu begrü-
ßen: Der Rasen muss dringend
gemäht, der Großeinkauf erledigt,
Berge von Wäsche gewaschen und
E-Mails beantwortet werden – alles
möglichst gleichzeitig und bitte dalli,
dalli! Danach sind Wanderungen
durchs Gebirge oder der Spaß am
Meer nur noch eine blasse Erin-
nerung. Gut erholt stürzen wir uns
aufs Neue in den Beruf, die Schule,
den Haushalt. Wir bauen unsere
Ressourcen ab, bis der nächste
Urlaub vor der Türe steht und wir
wieder für ein paar Tage einfach
‚loslassen dürfen‘.
Kurzen Phasen der Entspannung
folgt ein langes Anspannen. Schon
Kindergartenkinder kennen diesen
Rhythmus. In vielen Einrichtungen
wird nicht nur gespielt, sondern mit
Fremdsprachenunterricht, Buch-
staben- und Rechenspielen auf den
schulischen und letztlich berufli-
chen Erfolg hingearbeitet. Die Angst
zu scheitern, etwas zu verpassen,
nicht mehr auf dem Laufenden zu
sein oder beruflich überholt zu wer-
den, hat in unserer Gesellschaft
zwar noch keine asiatischen Aus-
maße erreicht, nimmt aber deutlich
zu. Jung und dynamisch sind ‚in‘,
alt und gebrechlich ‚out‘. Also baut
man in das tägliche Hamsterrad
noch vermeintliche Tricks und Kniffe
gegen das Altern ein – Don Quicho-
te und seine Windmühlen lassen
grüßen. Und seitdem der sprich-
wörtliche „geplatzte Sack Reis in
China“ keine lokale Nachricht mehr
ist, sondern ohne Umwege seinen
Weg in die digitalen Medien findet,
haben die globalen Ereignisse eine
Komplexität und Fülle erreicht, die
wir in ihrer Gänze nicht mehr fassen
können.
Pulsbeschleuniger kennt unsere
moderne Welt viele, egal ob selbst
gewählte oder von außen an uns
herangetragene. Die Folge: Mehr
als 80 Prozent der Deutschen ga-
ben für eine Bertelsmann-Studie
an, permanent gestresst zu sein,
40 Prozent der Befragten fühlten
sich sogar überfordert. Psychi-
sche Erkrankungen wie Burnout
sind mittlerweile die zweitwichtigs-
te Ursache für Arbeitsunfähigkeit.
Da ist es womöglich an der Zeit,
den Blickwinkel auf das Leben
zu überdenken, um einer schon
den antiken Griechen bekannten
Tugend Platz zu schaffen: der
Gelassenheit.
Ein Leben im Hamsterrad?
Auf der Suche nach dem Notausgang
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CellitinnenForum 3/2018