Allein der Wunsch, endlich die Ost-
see zu sehen, war Motivation genug
zu einer Reise rund um das Balti-
sche Meer. In sieben Tagen sieben
Länder und ihre Hauptstädte ken-
nenzulernen sowie Einheimische
zu treffen, trösteten mich und die
anderen Teilnehmer unserer Reise-
gruppe über die 4.500 Kilometer
lange Route mit Bus und Schiff.
Warschau
Abfahrt nachts aus dem Rheinland.
Nach 15 Stunden im Bus Ankunft
in Warschau. Die polnische Metro-
pole zeigt sich in einer atemberau-
benden Mischung von modern und
traditionell: Die historische Altstadt
(Weltkulturerbe!) mit vielen kleinen
Häusern aus dem 13. Jahrhundert
entfaltet liebenswerten Charme,
während der weithin sichtbare
Kulturpalast noch ein ungeliebtes
Geschenk aus der russischen Be-
satzungszeit ist. Auf der Prachtein-
kaufsstraße ‚Nowy Swiat‘, tummeln
sich junge Menschen mit großer
Lebenslust bis in die Nacht in allen
nur denkbaren Geschäften. Den
Spagat zwischen Moderne und Tra-
dition beschrieb der Stadtführer auf
seinem Rundgang: Früher hatten
wir die Russen, heute haben wir PiS
(polnische Regierungspartei)…Da-
bei zeigte sich die polnische Seele
weich und empfänglich für Schö-
nes, insbesondere für Musik und
Kunst: In der Altstadt laden fünf-
zehn Marmorbänke mit Aussicht
zum Sitzen, Schauen und Musik-
hören ein. Auf Knopfdruck ertönt
je ein Stück des Nationalmusikers
Frederic Chopin. Wussten Sie, dass
er Pole ist? Schnell schlafen und
weiter.
Vilnius
Hunderte Kilometer weiter errei-
chen wir die litauische Hauptstadt
Vilnius. Hier ist Freiheit und Unab-
hängigkeit, die sich die Balten vor
20 Jahren errungen haben, ein star-
kes und stolzes Thema. Die Altstadt
von Vilnius bezaubert durch ihre
schmalen mittelalterlichen Gassen,
gemütlichen Hinterhöfe und einer
Vielzahl von Kirchen und Burg-
anlagen. Das Französische Na-
tionalinstitut für Geographie hatte
herausgefunden, dass Litauen die
geographische Mitte Europas ist.
So empfinden es die Litauer auch:
wir sind mittendrin.
Glaube und Freiheitswille gehen
in Litauen eine starke Liaison ein,
wie am Berg der Kreuze in Siauliai.
Dieser katholische Wallfahrtsort be-
steht aus nichts als einem Hügel.
Hier stellen Pilger Kreuze auf, ver-
bunden mit einem Wunsch oder
Dank. Über einhunderttausend
Kreuze aller Größenordnung, Ge-
betsstöcke und Betsäulen, Skulp-
turen, Heiligenbilder und Rosen-
kränze zeugen von einem gelebten
Katholizismus. Als die russische
Besatzungsmacht vor 40 Jahren
diese Kreuze vernichtete, tauchten
über Nacht neue Kreuze auf. Immer
wieder, bis man den Litauern ihren
geliebten Wallfahrtsort ließ. Darauf
ein litauisches Honigbier!
Riga
Die lettische Handelsstadt Riga liegt
direkt an der Ostsee, und machte
uns ihren Jahrhunderte alten ehr-
würdigen Führungsanspruch an
den Seefahrthandel deutlich. Wer
Sieben Tage – sieben Länder
Einmal rund um die Ostsee
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CellitinnenForum 4/2018