Noch vor dem Ersten Weltkrieg pro-
fitierte man von den Fortschritten in
der Frauenbildung. Seit 1908 gab
es ein grundständiges Lyzeum von
zehn Jahrgangsklassen, dem ein
dreijähriges Oberlyzeum mit einem
weiteren Seminarjahr für Anwärte-
rinnen zum Lehrerinnenberuf folgte.
Die Nationalsozialisten verfügten
ab 1940 die Schließung, sodass
nach stufenweisem Abbau 1942
die vorerst letzten Reifeprüfungen
abgelegt wurden. Die Schwestern
verließen ihr Kloster zur Übernahme
anderer Tätigkeiten wie beispiels-
weise zur Krankenpflege in Laza-
retten. Nach dem Krieg war neben
demMädchengymnasium bis 1973
eine Handelsschule im Angebot.
1963 nahm die Realschule ihren
Betrieb auf.
Neuorientierung
Wie alle Ordensgemeinschaften
waren auch die Herseler Ursulinen
vom Rückgang der Schwestern-
berufungen spätestens seit den
1960er Jahren betroffen. Nach
150jährigem Wirken wurden die
Schulen 2001 dem Erzbistum Köln
übergeben, eine Entscheidung aus
praktischer Vernunft und getragen
von jenem geisterfüllten Realismus
nach dem Vermächtnis der hl. An-
gela Merici (um 1470–1540). Sie
gründete 1535 unter dem Namen
‚Compagnia di Sant Orsola‘ eine re-
ligiöse Frauengemeinschaft neuen
Zuschnitts, aus der sich später der
Ursulinenorden entwickeln sollte.
Lebensklug hatte die Heilige ihren
Schwestern anempfohlen: „Wenn
es sich gemäß den Zeiten und Be-
dürfnissen ergeben sollte, etwas
neu zu ordnen oder etwas anders
zu machen, tut es klug und nach
guter Beratung. Und immer sei eure
erste Zuflucht zu den Füßen Jesu
Christi.“
Umso mehr mussten sich die
Herseler Ursulinen schon wenige
Jahre später wiederum neu orien-
tieren. Der von ihnen weiterhin
bewohnte Klostertrakt stand den
Erweiterungsplänen von Gymna-
sium und Realschule im Wege.
Ein Umstand, der die Fortset-
zung der guten und erfolgreichen
Arbeit in den Schulen, deren Ruf
und Resonanz in der Bevölkerung
bis heute sehr hoch ist, proble-
matisch machte. Die Schwestern
suchten nach einem praktikablen
Ausweg. Dabei war es einhelliger
Wunsch der Ursulinen, als Konvent
weiter zusammenzuleben und am
besten auch in Hersel bleiben zu
können.
Umzug ins Seniorenhaus
Durch Kontakt mit der Stiftung der
Cellitinnen zur hl. Maria wurde die
Lösung gefunden: Der Bau eines
Seniorenhauses auf dem Grund-
stück der Schwestern, in das sie
einziehen konnten, und zwar in einen
eigens für sie errichteten und in sich
abgeschlossenen Wohn- und Ge-
meinschaftstrakt. 2008 waren die
verbliebenen sechs Ursulinen unter
den ersten Bewohnern des neu er-
richteten Seniorenhauses St. An-
gela, ein architektonisch anspre-
chender Neubau direkt am Rhein,
harmonisch eingefügt in den hoch
ansteigenden Uferbereich und mitt-
lerweile ergänzt durch das Gebäude
des Seniorenwohnens St. Ursula.
Ihr engagiertes Einbringen in das
Leben des Seniorenhauses war
den Schwestern von Anbeginn
wichtig und ist es auch geblieben.
So heißt es in einer Selbstdarstel-
lung der Herseler Ursulinen: „Vieles
von dem, was wir früher in Schule
und Internat praktiziert haben, set-
zen wir heute im Seniorenhaus fort:
Zwar haben sich die Adressaten
geändert, aber grundlegende Werte
sind geblieben, wie Wertschätzung,
Ermutigung und das Fördern von
Selbstständigkeit.“
Die Skulptur der hl. Angela Merici im Garten
zwischen Schule und Seniorenhaus
Glauben | Leben
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CellitinnenForum 2/2019