getaktet, Bewohner sind auf sich
gestellt und versinken immer tiefer
in ihrer kontaktarmen Welt. In vie-
len Einrichtungen ist es heutzutage
nicht mehr üblich, eine Biografie zu
erheben. Also wissen die Mitarbei-
ter eigentlich nichts darüber, was
den Menschen mit seinem gelebten
Leben einmal ausmachte, worauf
er zurückblickt, worauf er stolz ist –
und worauf man ihn ansprechen
könnte. Bei einer Examensprüfung
schaute die Prüferin in die Biografie
einer 87-jährigen Bewohnerin mit
der Diagnose senile Demenz: Da
steht, dass sie ledig ist und keine
Kinder hat. Sonst nichts. Die Pra-
xisanleiterin meinte, dass sie ja erst
zwei Jahre hier wohnen würde und
man ja noch was nachtragen könne.
Es geht noch weiter: Die Auszubil-
dende nimmt während der Pflege
keinerlei persönlichen Kontakt zu
der Bewohnerin auf, sieht nicht, wie
die alte Dame alles mit ihren Blicken
aufmerksam aufnimmt und wie ger-
ne sie mal reden würde, aber sie ist
ja ‚dement‘. Als die Prüferin die alte
Dame anspricht und sie fragt, ob
sie gerne gearbeitet habe, erzählt
sie ihr fast ihre halbe Lebensge-
schichte. Das macht mich einerseits
traurig und andererseits wütend“,
fasst Thomas Nauroth seine Ge-
fühle zusammen. „Die Mäeutik hilft
uns dabei, damit Bewohner in den
Seniorenhäusern der Stiftung der
Cellitinnen aktiv wahrgenommen,
erlebensorientiert begleitet und mit
ihrer Biografie lebendig bleiben. Das
Konzept der Mäeutik ist aber nicht
nur für die Pflege und die Betreuung
wichtig, sondern auch der Haus-
service und die Verwaltung werden
darin geschult.
Dr. Cora van der Kooij
Die erkrankte und daher abwesen-
de Dr. Cora van der Kooij beschrieb
in einem Brief an die neuen internen
Trainerinnen ihre ersten Erfahrun-
gen mit dem mäeutischen Ansatz:
„Wenn man die Gefühle (der alten
Menschen) erreicht und benennt,
lügt oder täuscht man nicht. Aber
wie man die Gefühle erreicht, das
muss man in der Situation her-
ausfinden, durch das sogenannte
‚suchende Reagieren‘. … Es geht
nicht um neue Fähigkeiten, aber
um eine neue Sprache. Und um
die Kunst des Fragestellens. Das
letzte, die Kunst des Fragestellens,
habe ich Sokrates entlehnt. Dann
sind Sie sozusagen der Toröffner
zu den unbewussten Möglichkeiten
(der Menschen).“
Das mäeutische Modell ist ein er-
fahrungsbasierter Ansatz. Es geht
darum, dass Pflegende und Be-
treuende ihre Möglichkeiten, auf
Bewohner zuzugehen, ausbauen
und verfeinern. Darum arbeiten
die internen Trainer vor Ort in den
Seniorenhäusern, um ihren Kolle-
gen im ‚training on the job‘ neue
Möglichkeiten aufzuschließen und
in die Arbeitsabläufe einzubauen.
Neun Frauen haben in einem Jahr
die Ausbildung zum Internen Trainer
Mäeutik gemacht und ihren Ab-
schluss im Seniorenhaus St. Josef
in Meckenheimmit viel Beifall feiern
können.
Petra Swindt stellt
ihr Projekt vor
Qualitätsmanager Thomas Nauroth
gratuliert den Absolventinnen
Teilnehmerin Christiane Zeus mit
Seniorenhausleiter
Mathias Junggeburth
51
Lehren | Lernen
CellitinnenForum 2/2018