

wird durch einen langsam steigenden
Prolaktinspiegel bereits während der
Schwangerschaft auf die Milchprodukti-
on durch Bildung von Milchbläschen vor-
bereitet. Nach der Geburt steigt der Pro-
laktinspiegel stark an: Das Drüsengewebe
ist über Milchgänge mit den Brustwarzen
verbunden. Der Warzenhof ist nerval mit
den Milchgängen verbunden. Saugt der
Säugling, löst er über die Nervenendigun-
gen im Warzenhof den Milchspendere-
flex aus: Die Milch schießt etwa drei bis
vier Tage nach der Geburt ein, nach zehn
Tagen ist die volle Milchbildungsleistung
erreicht. Je nach Häufigkeit und Intensität
des Saugens reguliert der Säugling dann
den Prolaktinspiegel und damit Milch-
menge und -qualität. Die Muttermilch
selbst lässt sich als eigenständiges phar-
makologisches Kompartiment begreifen,
also als weiterer Verteilungsraum.
Die Milchbildung wird durch einige
Arzneistoffe gehemmt, wie Ergotamin-
derivate und Estrogene, weil diese die
Prolaktinproduktion unterdrücken. Arz-
neimittel mit antidopaminerger Wirkung
hingegen, wie Phenothiazine oder das
atypische Neuroleptikum Sulpirid, sind
milchbildungsfördernd.
6,8
Der Umbau des Brustgewebes in den
ersten zehn Tagen nach der Geburt bis
zur vollen Ausreifung der Milchbildung
begünstigt die Weitergabe von Immun-
globulinen und mütterlichen Lymphozy-
ten, dem „Nestschutz“. Die Kapillarwände
der alveolären Zellen sind in diesem Zeit-
fenster noch relativ durchlässig. Deshalb
besteht während dieser Zeitphase das
höchste Risiko für den Übertritt von grö-
ßeren Arzneistoffmolekülen in die Mut-
termilch. Nach zehn Tagen kommt es zum
Aufbau der alveolären Lipidmenbran, die
die Durchlässigkeit für Moleküle mit ei-
ner Molekularmasse von mehr als 200
ohne aktive Transportsysteme unmöglich
macht.
6,8
Während dieser Zeit ist deshalb
ein sorgfältiges Auswählen von für den
Säugling unbedenklichen Arzneistoffen
einerseits und andererseits eine erhöhte
Aufmerksamkeit auf mögliche Reaktionen
des Säuglings bei einer notwendigen müt-
terlichen Therapie angezeigt.
Welche Substanzen können überhaupt in
die Muttermilch übergehen?
Sowohl die Arzneistoffe selbst als auch ihre
Metaboliten können durch passive Diffusi-
on oder mittels aktiver Transportprozesse
aus dem Plasma in die Muttermilch über-
treten. Da zum Teil auch Metaboliten für
Wirkungen und unerwünschte Arzneimit-
telwirkungen verantwortlich sein können,
sollte man beides imBlick behalten. Bei der
passiven Diffusion ist die Arzneistoffkon-
zentration in der Milch direkt proportional
zur Plasmakonzentration. In diesen Fällen
sind die folgenden Punkte zur Beurteilung
zu beachten:
Plasmaeiweißbindung, Lipophilie und
pH-Gefälle
Die Plasmaeiweißbindung von Wirkstof-
fen und Metaboliten hat Einfluss auf die
Diffusion in die Muttermilch. Je stärker
ein Wirkstoff – und das gleiche gilt auch
für seine Metaboliten – an Plasmaeiweiße
gebunden ist, desto geringer ist der Anteil
der freien Arzneistoffmoleküle im Plasma,
die passiv in die Muttermilch diffundieren
können. Stehen zwei vergleichbare Wirk-
stoffe zur Behandlung einer Stillenden zur
Verfügung, sollte man dem Wirkstoff mit
der höheren Plasmaeiweißbindung den
Vorzug geben. Bei einer Plasmaeiweißbin-
dung von über 85 Prozent ist eine Gefähr-
dung des Säuglings wegen der kaum vor-
handenen Diffusion von Wirkstoffen oder
Metaboliten in die Muttermilch weitge-
hend ausgeschlossen. Da die Muttermilch
ebenfalls bindungsfähige Eiweißstruktu-
ren enthält, wenn auch in deutlich gerin-
gerem Umfang als das mütterliche Plas-
ma, lässt sich das Gleichgewicht zwischen
freien und ungebundenen Molekülen auch
zwischen den in der Muttermilch befindli-
chen und den frei im Plasma verfügbaren
Molekülen beobachten.
Wie hoch jedoch das Gleichgewicht
zugunsten der Muttermilch verschoben
ist, hängt von der Molekülgröße, der Lipo-
philie und der Basizität des Wirkstoffs oder
der Metaboliten ab.
6,8
Lipophile Wirkstoffe und Metaboli-
ten diffundieren wegen des im Vergleich
zum Plasma höheren Fettgehaltes gut.
Die Wirkstoffe reichern sich in der Mutter-
milch an. Fällt der Plasmaspiegel der Sub-
stanzen ab, so rediffundiert der Wirkstoff
in Abhängigkeit seiner Lipophilie bis ein
Steady-State erreicht ist. Dieser Prozess der
Rediffussion verläuft bei extrem lipophilen
Wirkstoffen oder Metaboliten jedoch so
zeitverzögert oder in so geringemUmfang,
dass bei diesen Stillenden ein gezieltes
ABBILDUNG 2:
Ist die Ernährung der Mutter während der Stillzeit ausgewogen, ist
die Ergänzung von Vitaminen und Mineralstoffen nicht erforderlich.
Foto: psdesign1 – Fotolia.com
6
/ AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal
MEDIKAMENTE WÄHREND DER STILLZEIT