

Lebenswochen kommt es zur sogenann-
ten Blutmauser. Das bis zur Geburt auf
die Sauerstoffversorgung über die Mutter
und damit der Aufnahme von Sauerstoff
von Plasma zu Plasma ausgelegte Hämo-
globin muss nun über die Lungenatmung
für eine ausreichende eigenständige
Sauerstoffversorgung des Organismus
sorgen. Besondere Vorsicht sollte man
deshalb in den ersten Wochen bei Wirk-
stoffen, die einen Kernikterus auslösen
können, walten lassen. Durch den mas-
siven Umbau des fetalen Hämoglobins
kommt es ohnehin zu einem Anstieg von
Bilirubin im Körper. Auch gegenüber Met-
hämoglobinbildnern ist das Blut während
der ersten sechs Lebensmonate beson-
ders empfindlich. Durch die Oxidation des
zweiwertigen Eisens zu dreiwertigem im
Hämoglobin kommt es zu einem Funkti-
onsverlust und damit zu einer geringeren
Sauerstoffkapazität. Das Neugeborenen-
Hämoglobin reagiert doppelt so schnell
gegenüber Oxidationsmitteln im Ver-
gleich zum adulten Hämoglobin. Selbst
wenn nur 15 bis 20 Prozent des Hämoglo-
bins von der Oxidation betroffen sind, tre-
ten bereits Symptome einer Zyanose – vor
allem Abgeschlagenheit und Müdigkeit,
auf; bei mehr als 50 Prozent, kommt es zu
Somnolenz bis hin zum Bewusstseinsver-
lust. Das größte Risiko besteht in der Auf-
nahme von nitratreichem Wasser, wenn
nicht gestillt wird, sondern mit Wasser
zubereitete Säuglingsnahrung gefüttert
wird. Wegen der ebenfalls noch nicht aus-
geprägten Magensäurebildung kommt
es zu einer verstärkten Nitritbildung aus
dem Nahrungsmittelnitrat. Bei gestillten
Säuglingen existiert dieses Risiko nicht,
da die durch die Mutter aufgenommenen
Nitrate effektiv abgebaut werden. Bei
Säuglingen, die mit Säuglingsmilchpro-
dukten ernährt werden, sollte aus diesem
Grund konsequent auf eine Zubereitung
mit nitratfreiem oder zumindest -armem
Wasser geachtet werden, was in den In-
dustriestaaten kein Problem darstellt. Kri-
tisch kann beim gestillten Säugling jedoch
die Behandlung der Mutter mit einem
methämoglobinbildenden Wirkstoff sein,
wenn dieser in höheren Konzentrationen
in die Muttermilch übertritt. Dazu zählen
Dapson, Metamizol und Sulfonamide. Zu
den Sulfonamiden beispielsweise findet
sich in der embryotox-Datenbank nur der
Hinweis auf möglicherweise, aber selten
auftretende Durchfälle beim Säugling.
TABELLE 2:
Klassifizierung zum Übertritt ausgewählter Wirkstoffe in die Muttermilch
nach 4,6 und
www.embryotox.deWirkstoffbeispiel
Empfehlung nach embryotox z. T.
nach 6
Zuordnung und
Empfehlung
nach 4
Atenolol
Besser Metoprolol (Mittel der Wahl)
Gruppe A:
Abpumpen der Muttermilch
zur Wirkspiegelreduktion für
den Säugling nur einge-
schränkt zu empfehlen
Benzylpenicillin
Mittel der Wahl
Clarithromycin
indikationsgerecht ja
Clindamycin
nur bei zwingender Indikation
Diltiazem
Nifedipin oder Verapamil bevorzugen
HCT
bis zu 50 mg/Tag akzeptabel
Metformin
uneingeschränkt möglich
Ofloxazin
nein, wenn Gyrasehemmer nötig, dann
Ciprofloxacin
Terbutalin
Mittel der Wahl
Verapamil
besser Nifedipin
Aciclovir
keine Stilleinschränkung
Gruppe B:
Abpumpen der Muttermilch
zur Wirkspiegelreduktion für
den Säugling nicht geeignet
Cimetidin, Ranitidin
keine Stilleinschränkung, besser aber Famo-
tidin
Jodid
keine Stilleinschränkung
Nitrofurantoin
falls zwingend erforderlich möglich, besonde-
re Vorsicht bei Frühgeborenen, Neugeborenen
mit Hyperbilirubinämie oder Glucose-6-Phos-
phat-Dehydrogenasemangel
Captopril
möglich, wenn Mittel der 1. Wahl nicht
greifen, bei Säuglingen unter zwei Monaten
auf Ödeme und Gewichtsverlauf (Nierenfunk-
tion!) achten
Gruppe C:
Beobachtung des Säuglings,
um situativ wegen Trink-
schwäche oder anderer
UAW über eine Stillpause zu
entscheiden
Citalopram
akzeptabel, aber auf Sedierung oder Unruhe
achten
Fluvoxamin
SSRI Mittel der Wahl
Hydromorphon, Morphin s. Kasten zur Substitution
MCP
indikationsgerecht über kurze Zeit möglich
Olanzapin
Sedierung und Übererregung möglich, als
Monotherapie unter Vorbehalt
Sumatriptan
wenn Paracetamol/ASS auch in Kombination
mit Coffein und Codein nicht wirkt, möglich
Theophyllin
möglich
Alprazolam
kurzfristig als Monotherapie bei Beobachtung
des Säuglings möglich
Gruppe D:
Die Verordnung dieser Wirk-
stoffe für Stillende sollte im
Einzelfall kritisch abgewogen
werden
Chloramphenicol
nicht stillen, Erbrechen häufig, evtl. Hinweis
auf toxische Wirkung (Grey Syndrom: graue
Hautfarbe, Erbrechen, Verweigerung der
Nahrungsaufnahme, Atem- und Kreislaufpro-
bleme)
Digoxin
Stillen möglich, evtl. Stillpause von 2 Stunden
Metronidazol
Stillen möglich
Prednisolon
Stillen möglich
Propranolol
Betablocker der Wahl in der Stillzeit
Propylthiouracil
Stillen möglich
Zytostatika, Radio
therapeutika, Jodhaltige
Desinfektions- oder
Kontrastmittel, Kombi-
nationstherapien mit
mehreren Psychophar-
maka und Antiepileptika,
Vitamin A und D
komplett kontraindiziert
nach6
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/ AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal
MEDIKAMENTE WÄHREND DER STILLZEIT