Kinder gehören hinsichtlich der
Pharmakotherapie zu den gefähr-
deten Patientengruppen. Sichere,
wirksame Therapieempfehlungen
lassen sich nicht allein aus Erfah-
rungen bei erwachsenen Patienten
ableiten, vor allem, weil sich der
kindliche Stoffwechsel grundle-
gend von dem Erwachsener unter-
scheidet. Der Einsatz von Arznei-
mitteln beim Kind erfordert daher
eine strenge Nutzen-Risiko-Abwä-
gung. Auch die richtige Dosierung
und Anwendung spezieller Kinder-
arzneimittel sind Herausforderun-
gen.
Die europäische Arzneimittelagentur
EMA unterscheidet allgemein fünf ver-
schiedene Altersgruppen bei Kindern und
Jugendlichen: Frühgeborene (bis zur 36.
Schwangerschaftswoche), Neugeborene
(0 - 27 Lebenstage), Säuglinge und Klein-
kinder (28 Tage bis 23 Monate), Kinder (2
bis 11 Jahre) und Jugendliche (12 bis 17
Jahre). Die einzelnen Organe wachsen in
den verschiedenen Phasen unterschied-
lich schnell und müssen sich im Laufe der
Zeit immer wieder neu aufeinander ein-
stellen. Je nach Lebensalter reagiert der
Körper also unterschiedlich auf die Gabe
von Arzneimitteln. Bei der Therapie von
Kindern gilt es daher, die klinisch-pharma-
kologischen Besonderheiten ihres Lebens-
alters zu berücksichtigen, die die Pharma-
kokinetik und -dynamik eines Arzneistoffs
und damit seine Wirkung beeinflussen.
Resorption
Der Magensaft von Neugeborenen ist
mit einem pH-Wert von 4 noch deutlich
weniger sauer als bei Erwachsenen. Die
Magen-Darm-Motilität ist verzögert, es
wird weniger Gallenflüssigkeit produziert
und der Darm ist noch nicht vollständig
von Bakterien besiedelt. Das beeinflusst
die Resorption von oral verabreichten Arz-
neistoffen und ihre Bioverfügbarkeit. Die
herabgesetzte Azidität des Magens führt
etwa zu einer verminderten Resorption
von sauren und fettlöslichen Substanzen.
Aufgrund der verzögerten Magenentlee-
rung bleiben die Substanzen allerdings
länger im Magen, die Resorptionsphase
dauert länger an.
Organbarrieren wie die Blut-Hirn-
Schranke sind bei Früh- und Neugebore-
nen noch nicht vollständig ausgebildet
und daher durchlässiger als bei Erwach-
senen. Viele Wirkstoffe gelangen somit
in verstärktem Ausmaß ins Zentralner-
vensystem. Die Resorption von Arznei-
stoffen über die Haut kann aufgrund ih-
res hohen Wassergehalts und niedrigen
Kollagengehalts und der relativ größeren
Hautoberfläche ebenfalls ausgeprägter
sein als bei Erwachsenen. Grund dafür ist
ein dünneres Stratum corneum sowie die
im Verhältnis zum Körpergewicht größere
Körperoberfläche. Beispielsweise Steroide,
aber auch potenziell toxische Substanzen
wie Salicylate oder Alkohol, werden leich-
ter perkutan aufgenommen.
Verteilung
Während der Entwicklung verändert sich
auch die Körperzusammensetzung, was
Auswirkungen auf den Konzentrations-
verlauf des Wirkstoffs im Blut und am
Wirkort hat. Bei kleinen Kindern ist der
Körperwasseranteil erhöht (und nimmt
bis zum Alter von fünf Jahren stetig ab)
und damit auch das Extrazellulärvolu-
men. Arzneistoffe, die sich vorwiegend
im Extrazellulärraum verteilen, z. B. viele
Antibiotika, müssen daher bei Früh- und
Neugeborenen sowie kleinen Kindern re-
lativ höher dosiert werden als bei Erwach-
senen. Umgekehrt sind Substanzen mit
vorwiegender Verteilung im Fettgewebe
aufgrund des geringeren Anteils niedriger
zu dosieren (z. B. Diazepam).
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Ist die Veränderung dieser Vertei-
lungsräume die einzige altersabhängige
Variable, kann zur Dosiskalkulation die
sogenannte Oberflächenregel der Dosie-
rung herangezogen werden. Diese basiert
auf der nahezu linearen Beziehung zwi-
schen der Körperoberfläche und dem ex-
trazellulären Flüssigkeitsvolumen.
Daraus folgt, dass Kinder im Vergleich
zu Erwachsenen eine umso höhere auf kg
Körpergewicht bezogene Dosis benötigen,
je jünger sie sind (Tabelle 1). Die Formel
gilt allerdings nicht bei adipösen Kindern
sowie Säuglingen im ersten Trimenon.
2
In der Praxis ist häufig auch die Plas-
maeiweißbindung ein wichtiger Faktor,
der berücksichtigt werden muss. Bei Kin-
dern ist die Plasmaeiweißbindung verrin-
gert: Das führt dazu, dass bei Substanzen
Verena Arzbach
(Frankfurt am Main) studierte Pharmazie
in Bonn und volontierte bei der Pharmazeutischen Zeitung.
Seit April 2013 ist sie als Redakteurin der Pharmazeuti-
schen Zeitung und des PTA-Forums tätig.
Verena Arzbach
Arzneimittel
für
Kinder
Sichere Therapie für besondere Patienten
BERECHNUNG DER DOSIS:
Dosis
Kind
= Dosis
Erwachsener
x Oberfläche des Kindes/1,73 m
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AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal /
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VERENA ARZBACH