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Dame Cicely Saunders (1918-2005)
ist als die Visionärin und Gründerin
der weltweiten Hospizbewegung
bekannt. Sie begann ihr Arbeits-
leben als Krankenschwester, wurde
später Sozialarbeiterin und schließ-
lich Ärztin. 1967 eröffnete sie in
Sydenham im Südosten Londons
das erste Hospiz, das St. Christo-
pher’s, mit dem Ziel, die Arbeit der
Symptom- und Schmerzkontrolle
weiter wissenschaftlich zu unter-
suchen. Der Dreh-und Angelpunkt
von Dame Saunders‘ Arbeit waren
aber die Patienten in ihrem ganz-
heitlichen Schmerz, und so ist durch
sie der Begriff ‚total pain‘ in die Pal-
liativmedizin und Hospizbewegung
eingegangen. ‚Total pain‘ beinhaltet
körperliche, mentale, seelische,
soziale und spirituelle Schmerzen,
durch die Patienten bis zum Tod
hin begleitet werden sollen. „Wir
werden alles tun, um sie in einen
friedvollen Tod zu begleiten, aber
auch alles, um ihr Leben zu unter-
stützen, bis sie sterben“, ist heute
noch die Hauptaufgabe eines jeden
Hospizes.
Das lateinische Wort ‚hospitium‘
bedeutet Herberge, ein Ort der
Gastfreundschaft für gesunde und
kranke Menschen auf einer langen
Pilgerreise. Erst seit einigen Jahr-
zehnten wurden diese Orte des Ver-
weilens zum Hospiz im heutigen
Sinn. Ich kann mir keine wichtigere
Berufung vorstellen, als Menschen
in Not zu pflegen und sie bis in ihren
friedlichen Tod zu begleiten.
Die Integration wichtiger (und
schmerzlicher) Lebensereignis-
se, Vergebung aussprechen und
annehmen, Liebe zulassen, oder
ganz einfach Zeit miteinander zu
verbringen sind die Schlüssel zu
einem friedlichen Tod. Ein Leben,
das erfüllt war, kann auch zu ei-
nem friedlichen Ende kommen,
unabhängig von seiner Dauer.
Dann ist der Tod nicht ein Feind,
der mit allen erdenklichen Mitteln
bekämpft werden muss, sondern
ein nächster Schritt im Zyklus des
Lebens.
„Das könnte ich nie“, hörte ich
oft, als ich in der aktiven Seelsor-
ge im Krebszentrum tätig war,
denn nicht jeder hat diese
Begabung, Sterbende zu
begleiten und einen
Menschen auf den
Tod vorbereiten ist
eine Berufung, die
man sich nicht aus-
sucht. Oft hatte ich
das Gefühl, einen
heiligen Moment
zu erleben,
wenn Familie
und Freunde
um das Bett
eines geliebten
Menschen stan-
den und ihn mit
guten Gedanken
und Gebeten
aus diesem Le-
ben gehen ließen.
Dieser heilige Moment
des Sterbens ist der gelebte Satz
„Du bist uns wertvoll, weil Du bist
wie Du bist, und Du bist uns wertvoll
bis zum Ende Deines Lebens“, mit
dem Dame Saunders die Beglei-
tung imHospiz angestoßen hat. Wir
sind alle auf einer Pilgerreise durch
unser Leben und es gibt viele ver-
schiedene Herbergen, in denen wir
ausruhen können. Auf den letzten
Ort der Gastfreundschaft und auf
den Tod sollten wir uns sehr viel
besser vorbereiten. Die Mitarbeit
im Hospiz ist dazu ein sehr guter
Lehrer.
Dr. Sylvia Klauser
CellitinnenForum 4/2014
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Glauben
Leben
Unsere Pilgerreise endet im Tod
Ethische Gedanken zur Hospizbewegung
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