Cellitinnen 4_2014_051114-1 - page 4

Ein Abschied in Würde
Ein Tag im Hospiz St. Vinzenz
8:30 Uhr – quer durch das Köl-
ner St. Vinzenz-Hospital führt der
Weg zum gleichnamigen Hospiz,
das sich seit 1999 auf zwei Etagen
im Gebäude des Krankenhauses
befindet. Was mich wohl hinter
der Tür erwartet? Martina Mann,
die Pflegedienstleiterin des Hos-
pizes, öffnet mir und heißt mich
willkommen. Schnell wird klar, hier
herrscht eine andere Atmosphäre
als auf den Krankenhausfluren. Es
ist ruhig, ohne wirklich still zu sein.
Die Pflegemitarbeiter tragen All-
tagskleidung, die Räume strahlen
ein wohnliches Ambiente aus.
Die Einrichtung
Bevor ich den Mitarbeitern bei ihrer
Arbeit über die Schulter schaue,
steht ein Rundgang an. Auf zwei
Etagen befinden sich neun Zim-
mer. Alle sind in warmen Farb-
tönen gestrichen und praktisch,
aber liebevoll eingerichtet. Auf der
zweiten Etage gibt es außerdem
einen Raum und eine Teeküche für
Angehörige. „Auch die brauchen
mal eine Pause oder einfach Zeit,
sich mit anderen auszutauschen;
gerade wenn es auf das Ende zu-
geht und sie womöglich Stunden
am Bett des Sterbenden sitzen“,
erklärt Martina Mann.
Herzstück des Hospizes ist aber die
geräumige Wohnküche. In der Mitte
steht ein großer Tisch, der mindes-
tens 12 Personen Platz bietet. Wer
möchte, findet hier Gemeinschaft.
Gast Jo (Red.: Die Schwerstkranken
sind nicht Patienten, sondern Gäste
im Hospiz.) ist gerade bei seiner
zweiten Tasse Kaffee angelangt. Er
hat heute einen ‚guten‘ Tag, denn er
ist nahezu schmerzfrei. Frau S. ver-
zichtet auf das Frühstück. Mittags
gibt es Grünkohl, vielleicht hat sie
ja dann mehr Appetit. „Wir zwingen
niemanden zu irgendetwas. Unsere
Aufgabe ist es, den Menschen hier
ihre letzten Tage oder Wochen so
angenehm wie nur möglich zu ge-
stalten“, so die Pflegedienstleiterin.
Abschied nehmen
Nicht selten kommen Gäste in ei-
nem psychisch und physisch labilen
Zustand in das Hospiz. Dann sorgt
das zehnköpfige Pflegeteam für Ab-
hilfe. Sie nehmen sich Zeit für Pflege
und Gespräche. Wenn die Men-
schen merken, dass sie hier gut
aufgehoben sind, öffnen sich viele.
„Wir hören hier Lebensgeschichten,
von denen selbst die engsten An-
gehörigen nichts wissen“, erzählt
Martina Mann. Mittlerweile sitzen
wir mit Schwester Doris, Pfleger
André, den beiden Pflegeschüle-
rinnen Josi und Lena sowie Gast
Jo in der Wohnküche. Sie erzählen,
wie Gäste aufgrund der guten Für-
sorge manchmal neuen Lebensmut
fassen. Jo ist so ein Fall. Er lebte
bis vor kurzem in einemWohnheim
in Vingst. Krebs und Metastasen
setzen dem 59-Jährigen zu und er
war einsam. Sein Arzt empfahl ihm,
in das Hospiz St. Vinzenz zu ziehen,
und leitete alles in die Wege. „Ich
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