Cellitinnen 4_2014_051114-1 - page 6

das nicht. In Supervisionen lernen
die Mitarbeiter, eine gesunde Dis-
tanz zu den vielen Schicksalen zu
wahren, ohne teilnahmslos zu sein.
Viele haben Hobbys, bei denen sie
gut abschalten können. Und sich
auszutauschen hilft. Da sie ein ein-
geschworenes Team bilden, fällt
das nicht schwer.
Viel anstrengender als die Pflege der
Gäste sei die Auseinandersetzung
mit deren Angehörigen. „Von laut
ausgetragenen Erbstreitigkeiten,
von Menschen, die ihre Ohnmacht
kaum aushalten, der Mutter oder
dem Partner nicht mehr helfen zu
können, von Kindern und Eltern, die
nicht gelernt haben, miteinander zu
reden und die jetzt reden müssen,
können wir viele Geschichten er-
zählen“, seufzt Schwester Doris.
„Die Angehörigen dazu zu bringen,
loszulassen, Abschied zu nehmen
erfordert viel Geduld und Finger-
spitzengefühl. Unsere Gäste haben
sich bereits mit ihrer Situation sehr
intensiv auseinandergesetzt und
sind ihren Familien da weit voraus.
Manchmal sind sie es, die ihre An-
gehörigen trösten“, ergänzt Martina
Mann.
Die Begleitung der Angehörigen
hört mit dem Tod des Partners
oder des Elternteils nicht auf. Re-
gelmäßig treffen sich rund zehn bis
zwölf Hinterbliebene zum Trauer-
café. Schwester Doris betreut die
Runde und hilft, einen neuen Ein-
stieg in den Alltag zu finden. Dabei
darf gelacht und geweint werden.
Manchmal entstehen aus dieser
Runde feste Freundschaften. Sogar
ein Liebespaar habe hier zueinan-
der gefunden.
Fürsorge
Im Hospiz wird nichts mehr ge-
macht, umdas Sterben aufzuhalten.
Erleichtern möchten die Pflegemit-
arbeiter den letzten Weg der ihnen
Anvertrauten. Bei Frau S. steht wie
jeden Tag Verbandswechsel und
Körperhygiene auf dem Plan. Die
alte Dame ist krebskrank, bett-
lägerig und leidet an einer Form
von Alzheimer im Frühstadium.
„Nein, sehen Sie wieder gut aus“,
begrüßt sie Martina Mann, als diese
zusammen mit Pflegeschülerin Josi
das große Zimmer betritt.
Rund eine Stunde nehmen sich die
Mitarbeiterinnen Zeit, um Frau S.
behutsam frisch zu machen. Dabei
kommen die Frauen ins Klönen.
Über die Familie von Frau S. und die
beiden Enkelkinder, die ihr gestern
die Stofftierelefanten mitgebracht
haben, und über ihr Lieblingsstoff-
tier ‚Schatzi‘, das Frau S. mehrfach
herzt. In Sichtweite stehen Fotos
der Kinder und Enkelkinder. Behut-
samwird Frau S. eingecremt, denn
angenehm zu duften ist ihr wichtig.
Sehr gut geschlafen habe sie und
einen schönen Traum gehabt. „Fünf
Schutzengel sind gekommen, um
mich zu holen. Sie hatten extra
Flügel für mich mit, die sie mir an-
klebten, und schon flogen wir los.“
Es folgt ein Gespräch über Schutz-
engel. Dabei wird in aller Ruhe
weiter gewaschen, gekämmt und
die Wunde neu verbunden. „Ich
bin sehr zufrieden“, versichert mir
Frau S. zum Abschied.
Ehrenamtler
Ingrid Wies und Christian Fiege
engagieren sich im Hospiz ehren-
amtlich. Christian Fiege hat im Le-
ben viel Positives empfangen und
möchte dafür etwas zurückgeben.
Privat meditiert er regelmäßig und
setzt sich intensiv mit dem Sein
und dem Thema Loslassen aus-
einander. Die examinierte Kran-
kenpflegerin Ingrid Wies arbeitet
Teilzeit in einem Seniorenhaus. An
ihrem freien Tag engagiert sie sich
im Hospiz. Menschen in Krisen zu
begleiten, diese Stärke hat sie für
sich entdeckt. Die tiefgründigen
Gespräche mit Gästen, anderen
Ehrenamtlern und Mitarbeitern sind
es, die diesen Einsatz für die beiden
so wertvoll machen. „Hier haben
wir noch die Zeit, uns wirklich um
die Menschen zu kümmern“, meint
IngridWies. Ehrenamtler erfüllen die
großen und kleinen Wünsche der
Hospizgäste. Sie erledigen Einkäufe
für sie, gehen mit ihnen spazieren
oder sind einfach für sie da. Der Trä-
Christian Fiege und Ingried Wies, Ehrenamtler im Hospiz
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CellitinnenForum 4/2014
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