SCHWEIZER GEMEINDE 12 l 2014
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GEMEINDEPORTRÄT
Stahlbau, dieTreppe zu den Gleisen des Bahnhofs der RBS.
schädigung sei nach einer Intervention
angehoben worden.
«Wir haben sofort auf unsererWebsite in-
formiert», sagt Bill. Und dann legten er
und der Gemeinderat ihr ganzes Gewicht
in dieWaagschale. 250 Personenwaren an
einem Informationsanlass imOktober an-
wesend. «Es gab einen Gemeindebewoh-
ner, der sich engagieren wollte», sagt Bill.
Auch dass der Pfarrer sich für die Hilfe-
suchenden einsetze, sei von Vorteil ge-
wesen. «Die Asylbewerber können zwei
Mal pro Woche Sport treiben, das Kir-
chencafé steht ihnen offen, sie lernen
Deutsch, und ausserdem verrichten sie
gemeinnützige Arbeit.» Die Leute seien
nun einmal hier, «da müssen wir das
Beste aus der Situation machen». «Wir
schaffen mehr Probleme, wenn wir uns
dagegen wehren, Leute aufzunehmen,
statt den Traumatisierten zu helfen», ist
Bill überzeugt. Es gehe darum, die Asyl-
suchenden fair zu behandeln, und nicht
darum, sie zu verwöhnen.
Verwöhnt werden die Asylbewerber in
Moosseedorf sicher nicht. Es gibt klare
Regeln, die eingehalten werden müssen.
Die Asylbewerber wohnen in der Zivil-
schutzanlage unter demGemeindehaus.
Einige sitzen an einemTisch am Eingang,
andere sind im Dorf unterwegs. «Wir
können uns nicht beklagen», erklärt ein
sehr höflicher 24-jähriger Eritreer, der
kaum Englisch, geschweige denn
Deutsch spricht. Fünf Jahre hat seine
Reise aus Eritrea gedauert, finden wir
heraus. Von der Küste des Roten Meers
via den Sudan, Libyen und Algerien
seien er und sein Freund nach Europa
gekommen. Für die Schlepper habe er
5000 Dollar bezahlen müssen.
Jenny Schär steht vor ihrem Coiffeurla-
den. Vor dem Eingang liegt die Weih-
nachtsdekoration. Buchenscheite, die als
Stapel Weihnachtsstimmung verbreiten
werden. «Es ging das Gerücht um, die
Gemeinde müsse den Asylbewerbern
die Handykosten bezahlen», sagt sie, das
habe sich aber geklärt. «Die Leute sind
stolz, dass sie helfen können.»
«Das wichtigste Gut für einen Politiker
ist das Vertrauen der Bevölkerung. Stra-
paziert man es, ist es schnell wieder
weg», sagt Bill. Nach 14 Jahren Gemein-
depräsidium weiss er, wovon er redet.
«Wir haben in dieser Zeit eine einzige
Vorlage verloren.» Das Vertrauen habe
sich der Gemeinderat kontinuierlich er-
arbeitet, durch Transparenz und offene
Kommunikation. Das Vertrauen zahlt
sich nun auch bei der Aufnahme von
Asylbewerbern aus. «Wenn die Bevölke-
rung uns nicht vertraut, gibt es Wider-
stand», sagt Bill.
Führen mit dem Cockpit
Der Gemeinderat von Moosseedorf führt
seit einem halben Jahrzehnt nach den
Vorgaben einer Strategie. Als Instrument
dient das Gemeindecockpit (vgl. «SG»
06/2013). «Diese Berechenbarkeit schafft
Vertrauen», sagt Gemeindeschreiber Pe-
ter Scholl, «nicht zuletzt, weil grosse
Transparenz herrscht.» Hinzu komme,
dass grosse Kontinuität herrsche. «Das
ist das A und O erfolgreicher Gemeinde-
führung.» Sicher sei der Anfang müh-
sam, weil viele Daten erfasst werden
müssten. Da braucht es ein Zugpferd,
ausserdem müssten die Daten Anfang
Jahr auf den neuesten Stand gebracht
werden. Heute zeige sich aber, dass sich
der Aufwand lohnte. «Wir hatten in den
letzten fünf Jahren mehrereWechsel auf
der Bauverwaltung», sagt Scholl. «Die
Übergabe war jeweils problemlos, weil
die Daten vorhanden und die Prozesse
klar sind. Nicht zuletzt helfe die Software
bei der Planung. Aktuell wird ein Schul-
haus für 4,9 Millionen Franken gebaut.
«Da müssen wir doch wissen, wie sich
die Schülerzahlen entwickeln.» In Zu-
kunft kommen so viele Herausforderun-
gen auf die Gemeinden zu, «dass wir uns
mit den immer knapperen Finanzen
keine Fehlplanungen leisten können».
Peter Camenzind
Infos:
www.moosseedorf.chQuelle:
Pfister Christian, Aerni Klaus: Der Kulturland-
schaftswandel im Moosseeraum: Umgestal-
tung von Landschaft und Verkehrsnetz in der
Teilregion Bern-Nord, in: Jahresbericht der
Geographischen Gesellschaft von Bern, Band:
50/1970–1972