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Hohe Berge, traumhafte Sand-

strände, stille Olivenhaine und un-

berührte Natur – ein Paradies, für

das schon Königssohn Thassos die

Suche nach seiner von Zeus ent-

führten Schwester Europa aufgab.

Er ließ sich nieder und gab dem

Fleckchen Erde seinen Namen:

Thassos, die nördlichste bewohnte

Insel der Ägäis.

1940 kam hier Ioannis Raxenidis zur

Welt. Seine Mutter starb kurz nach

der Geburt, sein Vater war Imker,

und Ioannis half ihm schon früh bei

der Arbeit mit den Bienenstöcken.

Der Junge war clever und durfte

nach der Grundschule das Gymna-

sium auf dem Festland besuchen,

was damals nicht selbstverständ-

lich war. Neben der Liebe zur Natur

entwickelte er dort eine weitere Lei-

denschaft: Die

Liebe zu Bü-

chern. Beson-

ders Sachbü-

cher hatten es

ihm angetan.

Nach sehr gut

bestandenem

Abitur sah sein

Vater für Ioan-

nis den Brot-

erwerb in der

Landwirtschaft

vor – viele Al-

ternativen gab

es damals auf

Thassos auch

nicht.

Hinaus in die Welt

Doch der Sohn hatte andere Pläne

und machte sich auf ins ferne Ös-

terreich, um dort zu studieren. Die

Zeit während der Militärdiktatur in

Griechenland (1964 – 1974) ver-

brachte er in Graz,

München und

Duisburg wo er

sich mit Gelegen-

heitsjobs durch-

schlug, wie in den

sechziger und

siebziger Jahren

so viele der so-

genannten Gast-

arbeiter. Ioannis

Raxenidis arbeite-

te viel, las viel und

nahm das Leben

an, wie es kam.

Mit 39 Jahren traf er dann Margit-

ta. Die damals 32-jährige Lehrerin

krempelte das Leben des bis da-

hin überzeugten Junggesellen or-

dentlich um. Die beiden heirateten

und bekamen einen Sohn. Ioannis

machte eine Umschulung zum Elek-

trogerätemechaniker, fand aber kei-

nen Job und führte dann zweimal ein

kleines Lokal, während sie weiterhin

ihren Beruf ausübte. Soweit es seine

Zeit zuließ, kümmerte er sich liebevoll

und geduldig um den Sohn. Die Ehe

baute auf Liebe, Respekt und das

Einsehen, dass man erwachsene

Menschen nicht mehr ändern kann.

„Hausarbeit war für meinen Mann,

wie für alle griechischen Männer

seiner Generation, zunächst kein

Thema“, erzählt Margitta Raxenidis.

„Dafür hat er aber gerne und sehr

gut gekocht und später durchaus

auch den Staubsauger in die Hand

genommen.“ In der Familie durfte

jeder seine Freiräume haben. „Mein

Mann fuhr auch mal alleine oder nur

Das Leben nehmen, wie es ist

Aus der Reihe: Lebenswege

Ioannis Raxenidis als junger Mann auf Thassos

Vater und Sohn

CellitinnenForum 2/2017

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