Heute sind Millionen Menschen auf
der Flucht. Manch einer von uns
erinnert sich noch an das Flücht-
lingselend im Zweiten Weltkrieg.
Aber heute ist die Welle viel größer.
Papst Franziskus hat wenige Mo-
nate nach seiner Amtsübernahme
Bootsflüchtlinge aus Afrika auf der
Insel Lampedusa besucht und mit
ihnen gesprochen, gebetet. Für
das Jahr 2016 hat er das Jahr der
Barmherzigkeit ausgerufen.
Flüchtlinge kommen aus dem Irak.
Sie sind geflohen vor dem Terror
und Verfolgung durch den ‚Isla-
mischen Staat‘. Sie fliehen vor den
Grausamkeiten des Bürgerkrieges
in Syrien. Viele kommen aus Af-
ghanistan. Afrikaner haben sich
auf den Weg gemacht, kommen
über das Mittelmeer vor allem aus
Eritrea und Somalia, wo massive
Diktaturen herrschen. Alle haben
ihre Heimat verlassen, oft nur das
nackte Leben gerettet. Skrupel-
lose Schleuserbanden, Kriminelle
treiben ihr Unwesen.
Wie stehen wir als Christen zu
Flüchtlingen, insbesondere bei
uns in Deutschland? Wir sind in
die Verantwortung genommen.
Das Wohl der Flüchtlinge ist für
uns Herzenssache. Es ist klar: Wir
brauchen die Flüchtlinge in einem
Land mit Altersanstieg und Ge-
burtenrückgang, in einem reichen
Land. Schon in der Bibel ist öfter
von Fluchtgeschehen die Rede.
Zwei Beispiele: Etwa 1.000 v. Chr.
flieht das Volk Israel aus Ägypten
aus der Sklaverei des Pharao. Es
wird geführt von Mose. Gott geht
mit dem Volk, gibt ihm Manna in
der Wüste (Ex 12–18). Als Jesus
zwei Jahre alt war, flohen seine
Eltern mit ihm nach Ägypten, denn
Herodes plante einen Kindermord.
Ein Engel hatte sie gewarnt (Mt
2,13–15). Gott ist mit den Fliehen-
den. Jesus gibt uns viele Hinwei-
se, wie wir mit den Flüchtenden
umgehen sollen. So sagt er: „Das
ist mein Gebot: Liebt einander,
so wie ich euch geliebt habe (Joh
15,12). Liebe deinen Nächsten
wie dich selbst (Gal 5,14). Amen,
ich sage euch: Was ihr für einen
meiner geringsten Brüder ge-
tan habt, das habt ihr mir getan
(Mt 25,40).“
An anderer Stelle heißt es: „Denn
ich war hungrig und ihr habt mir
zu essen gegeben; ich war durstig
und ihr habt mir zu trinken gege-
ben; ich war fremd und obdachlos
und ihr habt mich aufgenommen“
(Mt 25,35). Paulus sagt: „Einer
trage des anderen Last; so wer-
det ihr das Gesetz Christi erfüllen“
(Gal 6,2).
Wir sollen also auf die ankom-
menden Migranten zugehen, auf
jeden, gleichgültig welcher Kultur,
Nation oder Hautfarbe. Vorurteile
muss man überwinden. Ausländer-
feindlichkeit ist unchristlich. Es ist
verheerend, dass in Deutschland
immer wieder für Flüchtlinge be-
reitgestellte Gebäude angezündet
werden.
Die ankommenden Flüchtlinge
brauchen Unterkunft, Kleidung,
Lebensmittel. Oft brauchen sie
psychologische Betreuung. Vor
ihren Augen liegen oft Bilder des
Grauens, sie sind von Ängsten ge-
peinigt, insbesondere die Kinder.
Später sind Sprachunterricht, Bil-
dung, Schulen, Arbeitsstellen ge-
fragt. Diese Versorgungen werden
von staatlichen Stellen, caritativen
Organisationen, Kirchen übernom-
men. Aber Flüchtlinge bedürfen
auch der persönlichen Hinwen-
dung. Für uns Christen sind sie
Brüder und Schwestern. Man kann
Wegbegleiter für Kinder werden.
Man kann Flüchtlinge auf ihrem
Weg zu den Ämtern begleiten, wo
sie große Sprachschwierigkeiten
haben.
Unsere christliche Verantwortung
und unser Anliegen ist es immer
wieder, von Herzen für diese Men-
schen da zu sein. Wir wollen immer
wieder für die Flüchtlinge weltweit
und für die in unserer Nähe beten.
Sie alle sind Menschen in der Not,
die Kreuze tragen. So sind sie mit
Gott verbunden, ob sie es wissen
oder vielfach nicht wissen. Beten
wir, dass er sich ihrer annimmt,
sich erbarmt. Sind wir Werkzeug
seiner Liebe. So können wir sagen:
Christus lebt in uns. Er ist allen
Fliehenden und denen, die ihnen
helfen, nahe.
Menschen auf der Flucht
Meditation von Dr. Marianne Breuer
CellitinnenForum 2/2016
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Glauben | Leben