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Ein großer Vorteil der Reform ist,

dass nun mehr Menschen Zugang

zu den Pflegegraden erhalten.

Während die Mobilität und die Fä-

higkeit, sich selbst zu versorgen,

bisher bereits berücksichtigt wur-

den, kommen nun weitere Kriterien

hinzu: die kognitive und kommuni-

kative Fähigkeit, Verhaltensweisen

und psychische Problemlagen, der

Umgang mit krankheits- und the-

rapiebedingten Anforderungen, die

Gestaltung des Alltagslebens und

soziale Kontakte.

Außerhäusliche Aktivitäten und die

Haushaltsführung sind weiterhin

keine Beurteilungskriterien. Die

Arbeit der ambulanten Dienste

honorieren die Pflegekassen mit

deutlich höheren Entgelten als

bisher. Gestärkt werden auch die

Kurzzeitpflege (kurzzeitige voll-

stationäre Aufnahme in eine Pfle-

geeinrichtung, beispielsweise im

Anschluss an einen Klinikaufenthalt)

und die Verhinderungspflege (Pfle-

gevertretung während Urlaubzeiten

oder Krankheiten des pflegenden

Angehörigen). Kurzzeitpflege kann

nach dem neuen Gesetz bis zu acht

(statt bisher vier) Wochen pro Jahr

in Anspruch genommen werden,

nicht benötigte Tage werden auf die

Verhinderungspflege angerechnet.

Für diese wird schon seit Jahres-

beginn bis zu 2.418 Euro jährlich

erstattet, statt bisher 1.612 Euro.

Chancen und Risiken

Doch wo viel Licht, da ist auch

Schatten. Das gilt auch für das

PSG II. Die Verlierer der Reform

sind eindeutig ältere Menschen, die

noch im Vollbesitz ihrer geistigen

Kräfte, mit geringfügigeren körper-

lichen Einschränkungen oder aus

Gründen sozialer Vereinsamung in

ein Seniorenhaus ziehen möchten.

Sie werden ab Januar 2017 über

den zu leistenden Eigenanteil we-

sentlich stärker als bisher zur Kasse

gebeten.

Richtet sich bis Ende dieses Jahres

die Höhe des monatlich zu leis-

tenden Eigenanteils an der Pfle-

gestufe aus – je höher die Pfle-

gestufe, desto höher ist auch der

Eigenanteil – gilt für Bewohner, die

nach dem 31. Dezember 2016 in

eine Einrichtung einziehen, ein ein-

heitlicher, nach vorgeschriebenen

Kriterien bemessener Eigenanteil.

Dieser wird für niedrige Pflegegrade

höher, für Pflegegrade vier oder

fünf niedriger ausfallen. Gleichzeitig

sinken die Zuschüsse der Pflege-

kasse für die Pflegegrade zwei bis

drei (ehemals Pflegestufen eins und

zwei, vgl. Abb. auf Seite 8).

Diese Politik hat Folgen: Viele ältere

Menschen mit den Pflegegraden

zwei und drei werden sich ein Le-

ben im Seniorenhaus nicht mehr

leisten können. An dieser Stelle

sei nochmals angemerkt: Alle Se-

niorenhausbewohner, die bis zum

31. Dezember 2016 in eine Ein-

richtung einziehen, müssen sich

keine Sorgen machen. Für sie gilt

der Bestandsschutz, auch für die

Berechnung des Eigenanteils.

Klar ist, dass die ab dem kom-

menden Jahr greifende Reform zu

Lasten derjenigen geht, die sich,

‚nur‘ körperlich beeinträchtigt, für

ein Leben im Seniorenhaus ent-

scheiden. Auf der anderen Seite

ist es sicherlich zu begrüßen, dass

Menschen mit demenziellen Ver-

änderungen nicht mehr durch das

Pflegeraster fallen und ambulante

sowie häusliche Pflege finanziell

besser ausgestattet werden. Hier

vier Rechenbeispiele:

Irmtraud Schmitz

hat

vor zwei Jahren ihr

Haus in Köln-Lon-

gerich gegen eine

Seniorenwohnung

mit buchbarer am-

bulanter Betreuung

getauscht. Wegen einer

Geh- und Sehbehin-

derung fällt sie

unter die Pfle-

gestufe eins.

Der ambulante Pflegedienst Au-

xilia unterstützt sie in der Pflege,

ihre Mahlzeiten nimmt Irmtraud

Schmitz im Hausrestaurant ein.

Für die Pflegeleistungen inklusive

Verhinderungspflege erstatten die

Kassen 1.470 Euro monatlich. 866

Euro zahlt Frau Schmitz zusätzlich

aus der eigenen Tasche.

Erich Meier

ist vor zwei

Jahren mit Pflegestu-

fe eins in ein Zimmer

eines der Cellitinnen-

Seniorenhäuser ein-

gezogen. Hier genießt

er die 24-Stunden Rund-

umpflege und -betreu-

ung. Die Kassen

bezuschussen die

Pflege mit 1.434

Euro im Monat. Da die Gesamt-

betriebskosten eines Seniorenhau-

ses im Vergleich zu einem Wohn-

stift höher liegen, zahlt der Rentner

noch 1.783 Euro hinzu.

CellitinnenForum 2/2016

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Medizin | Betreuung