DER GEMEINDESCHREIBER
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Schweizer Gemeinde 5/14
«Die Ortsplanung ist zentral
für die Entwicklung»
Die intensive Auseinandersetzung mit der Ortsplanung motivierte Christian Reusser, Gemeinde-
schreiber von Worb (BE), zu einer Weiterbildung. In der 11 300 Einwohnerinnen und Einwohner
zählenden Ortschaft steht ein Neuanlauf für die Revision der Ortsplanung an.
«Schweizer Gemeinde»: Sie sind seit
zwölf Jahren Gemeindeschreiber in
Worb. In welcher Form befassen Sie
sich mit der Ortsplanung?
Christian Reusser:
In diesem Bereich
bin ich vor allem für die Öffentlichkeits-
arbeit zuständig, beteilige mich aber
auch, wenn es darum geht, eine Revi-
sion methodisch zu planen. Die Orts-
planung, mit der wir aktuell arbeiten,
stammt aus dem Jahr 1993. Seit ich im
Amt bin, haben wir ungefähr siebenTeil-
revisionen vorgenommen. Es ist meine
Aufgabe, solche Planungsschritte an die
Bevölkerung zu kommunizieren. Wer-
den Teilrevisionen vorgenommen, ist
die Information allerdings relativ ein-
fach, weil man den genauen Bereich
nennen kann, den die Revision betrifft.
Eine Gesamtrevision der Ortsplanung
war schon einmal vorgesehen…
Ja. 2006 starteten wir mit einem Kon-
zept, das wir «Gesamtrevision 06Plus»
nannten. Die Gemeinde hatte darin ver-
schiedene Gebiete zur Neueinzonung
vorgesehen und beabsichtigte, Mass-
nahmen zur Verdichtung im Ortszen-
trum zu ergreifen. Die Vorlage kam 2011
zur Abstimmung und wurde abgelehnt.
Besonders mit einer beabsichtigten Neu-
einzonung waren wir bei den Anwoh-
nern auf Widerstand gestossen.
Was war schiefgelaufen?
Im Abstimmungskampf lag der Fokus
stark auf den Neueinzonungen. Von Sei-
ten der Gemeinde gelang es uns nicht,
unseren Grundsatz, haushälterisch mit
dem Land umzugehen und deshalb
nicht nur einzuzonen, sondern auch ver-
dichtet zu bauen, wirksam zu kommuni-
zieren. Die Situation war unbefriedi-
gend: Während der ganzen Planungs-
phase war es uns nicht gelungen, das
Interesse der Bevölkerung für das Pro-
jekt genügend zu wecken. Der Wider-
stand begann sich erst in der Schluss-
phase zu regen, als die Planung schon
abgeschlossen war.
Wie erlebten Sie persönlich die Ableh-
nung?
Verwaltungsintern waren wir über-
zeugt, dass die Ortsplanrevision eine
gute Sache ist. Nach dem Engagement,
mit dem wir die Sache aufgegleist hat-
ten, war die Ablehnung ein Dämpfer für
mich und die anderen involvierten Ver-
waltungsstellen. Während des Abstim-
mungskampfs habe ich mich aber neu-
tral verhalten, da ich es als Gemeinde-
schreiber nicht als meine Aufgabe an-
sehe, politische Aussagen zu machen.
Welche Lehren zog die Gemeinde aus
der Abstimmungsschlappe?
Im März stimmte das Gemeindeparla-
ment einem Kredit für einen Neuanlauf
für die Ortsplanung zu. Die Gemeinde
zieht bei diesem neuen Projekt die Be-
völkerung von Anfang an in den Ent-
wicklungsprozess mit ein. So fanden
letztes Jahr drei öffentliche Foren statt,
an denen sich jeweils 60 bis 80 Perso-
nen beteiligten. Es kristallisierten sich
dabei fünf Stossrichtungen für die wei-
tere Entwicklung heraus, die in einem
Schlussbericht veröffentlicht wurden.
2011 war die Kommunikation nicht op-
timial…
Dieses Mal haben diejenigen Massnah-
men Priorität, welche die innere Ver-
dichtung und Umzonung behandeln.
Ausserdem erhalten wir Unterstützung
von einem externen Kommunikations-
büro. Bezüglich der internen Aufgaben-
verteilung wird die Planungskommis-
sion beim aktuellen Entwicklungspro-
zess zudem stärker in die Führung des
Projekts eingebunden. So finden etwa
Veranstaltungen zur Ortsplanungsrevi-
sion immer mit Vertretern der Kommis-
sion und des Gemeinderats statt.
Wie geht die Gemeinde vor, wenn es
um die innere Verdichtung geht?
Um das Zentrum verdichten zu können,
müssen die Eigentümer der Parzellen
ins Boot geholt werden. Deshalb finden
nun viele Gespräche mit Landbesitzern
statt, um abzuklären, was wo möglich
ist.
Als studierter Historiker und Betriebs-
ökonom haben Sie zuerst in der Berner
Stadtverwaltung auf dem Finanzin-
spektorat gearbeitet. Bevor Sie Ge-
meindeschreiber in Worb wurden, wa-
ren Sie hier stellvertretender Leiter der
Abteilung Finanzen. Wie haben Sie Zu-
gang zum Thema Siedlungsentwick-
lung gefunden?
Bei der intensiven Beschäftigung mit
dem ersten Konzept der Gesamtrevi-
sion des Ortsplans merkte ich, dass ich
in diesem BereichWissensdefizite habe.
Deshalb entschloss ich mich dazu, den
Fachausweis für Gemeindeangestellte
zu machen. Diese Ausbildung enthält
auch Module zum Bau- und Planungs-
wesen. Mir wurde zudem stark bewusst,
dass die Ortsplanung das wichtigste In-
strument für die Entwicklung einer Ge-
meinde ist: Wird eine Revision abge-
lehnt, ist die gesamte Gemeindeent-
wicklung auf Jahre hinaus blockiert.
Interview Julia Konstantinidis
Christian Reusser,
Bild: zvg
Gemeindeschreiber in Worb.