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und Agglomerationsgemeinden funk-

tionieren.

Sind solche Methoden nicht anfällig?

Kann da nicht ein einziger Besitzer, der

sich querstellt, den Prozess blockieren?

Jedem Planungsprozess drohen Blo-

ckaden etwa durch Rekurse. Der Erfolg

ist immer eine Frage von erfolgreicher

Kommunikation. Der Einbezug aller

Stakeholder scheint zunächst aufwen-

dig, und natürlich muss man dann auch

mit Leuten diskutieren, die zunächst

partout nichts ändern wollen. Aber mich

überzeugen die Erfolge, die wir damit

erzielen.

Design und Moderation von Mitwir-

kungsprozessen und eine gute Öffent-

lichkeitsarbeit brauchen Erfahrung.

Wenn sie nicht vorhanden ist, braucht

eine Gemeinde Unterstützung: Ent-

steht hier ein neuer Beruf?

Ja, tatsächlich, das kann ich mir vorstel-

len. Solche Projektbegleitungen sind zu-

nehmend gefragt. Das muss kein Planer

sein, es kann auch eine Kommunika-

tionsspezialistin oder eine Fachperson

mit Erfahrung in soziokultureller Ent-

wicklung und Kenntnis der raumplane-

rischen Instrumentarien sein.

Wäre es eine Aufgabe der Kantone, die

Gemeinden hier zu unterstützen?

Ja. Die Kantone würden nämlich entlas-

tet, wenn alle Gemeinden in der Lage

wären, selbstständig eine nachhaltige

Siedlungsentwicklung zu planen. Einige

Kantone unterstützen die Gemeinden

bereits fachlich, etwa der Kanton Aar-

gau, der dafür vor einigen Jahren ein

Team eingerichtet hat. Finanzielle Hilfe

vom Kanton für eine Prozessbegleitung

können Gemeinden jedoch nicht erwar-

ten. Es wäre aber grundsätzlich zu über-

legen.

Für die Gemeinden ist die Situation be-

lastend – Sie sehen sie als Chance?

Ja, die Entwicklung macht mir viel

Freude! In der Kommunalplanung wird

eine ganz neue Dimension erkennbar.

Ich bin zuversichtlich, dass sich bald in

vielen Gemeinden etwas bewegt. Es

sind ja nicht nur Bund und Kantone und

das RPG, die eine nachhaltige Entwick-

lung fordern. Es ist auch die Bevölke-

rung, die begriffen hat, dass wir das

Siedlungsgebiet nicht mehr ausdehnen

dürfen. Heute wehren sich auch die Bau-

ern für das Kulturland. Und immer mehr

Leute, alte und junge, in der Stadt oder

im Dorf, möchten wieder in einem le-

bendigen Ortskern wohnen, nah beim

Geschehen, bei den Dingen des tägli-

chen Bedarfs und den öffentlichen Ver-

kehrsmitteln. Es besteht also auch ein

Wunsch nach Innenentwicklung. So ent-

stehen neue Koalitionen. Die Siedlungs-

qualität erhält einen grösseren Stellen-

wert. Was hier gerade geschieht, ist

mehr als eine Trendwende beim Boden-

verbrauch: Ich sehe, dass sich ein Para-

digmenwechsel in der Siedlungsent-

wicklung abzeichnet. Damit er wirklich

stattfindet, muss die Aufbruchstim-

mung, die in einem Teil der Gemeinden

schon herrscht, sich auf andere übertra-

gen und möglichst lange anhalten.

Steckt darin nicht ein gehöriger Schuss

Wunschdenken?

Zugegeben: Zu uns kommen nur Ge-

meinden, die etwas tun wollen. Das

prägt meine Wahrnehmung. Die Kan-

tonsplaner sind da sicher skeptischer,

da sie sich auch mit allen anderen Ge-

meinden auseinandersetzen müssen.

Natürlich ist der Paradigmenwechsel

erst in einigen Pioniergemeinden deut-

lich sichtbar – die ja dann den Wakker-

preis erhalten. Viele Gemeinden lassen

die Ortsentwicklung immer noch schlit-

tern, andere sind erst am Anfang.

Was sind Erfolgsfaktoren für die Innen-

entwicklung?

Sich nicht zu viel vornehmen, behutsam

vorgehen, gut informieren, die Bevölke-

rung einbeziehen. Wenn die Bevölke-

rung nur hört, dass etwas imTun ist und

dass es Geld kostet, aber nichts Ge-

naues weiss und sich nicht äussern

kann, dann ist die Gefahr des Scheiterns

gross. Lang bevor gebaut wird, braucht

es sichtbare Meilensteine gegen die

Ungeduld: Veranstaltungen, eine Aus-

stellung, ein Fest, öffentliche Zwischen-

nutzungen… Hilfreich sind auch gute

Beispiele. Ganz wichtig ist eine Schlüs-

selperson, die sich des Prozesses an-

nimmt, idealerweise eine Gemeinde-

rätin oder der Bauverwalter, eventuell

eine Bürgergruppe oder ein Investor mit

Sinn für den Gemeinnutzen. Es braucht

eine engagierte Projektleitung. Die ge-

eigneten Planungsinstrumente müssen

gefunden und ein Netzwerk für fachli-

che, ideelle und finanzielle Unterstüt-

zung aufgebaut werden.

Wir empfehlen auch dringend eine

aktive Bodenpolitik: Dass die Gemeinde

in den Besitz von Land kommt, ist ein

Schlüsselelement der Innenentwick-

lung. Es schafft vor allem Spielraum:

Gute Projekte können dann mit einem

Landabtausch ermöglicht werden. Die

Gemeinde kann ihr Land danach wieder

verkaufen, aber vorher dafür sorgen,

dass darauf ein gutes Projekt entsteht,

in das die Interessen der Dorfgemein-

schaft einfliessen. Noch besser kann sie

ein Projekt steuern, wenn sie das Land

im Baurecht abgibt.

Man sieht heutzutage Bauten, die Pos-

tulate der Innenentwicklung erfüllen.

Doch oft fehlt die architektonische Qua-

lität. Was können Sie in dieser Hinsicht

ausrichten?

Um diesenAspekt wird man sich künftig

stärker kümmern müssen. Denn nur ein

schönes Dorf ist ein nachhaltiges Dorf.

Wir weisen die Gemeinden darauf hin,

dass gute Architektur allen nützt, und

empfehlen Architekturwettbewerbe. Ei-

nige Gemeinden erlassen Gestaltungs-

regeln für bestimmte Bauzonen oder

verlangen von den Grundeigentümern

vor Einzonungen Überbauungsstudien,

die in der Gemeinde diskutiert werden.

Der Kanton Luzern hat dazu eine Ar-

beitshilfe geschaffen. Der Kanton Grau-

bünden bietet Bauherrschaften und Ge-

meinden Beratung in Gestaltungsfra-

gen an. Gemeinden wie Disentis oder

Fläsch haben die Elemente der traditio-

nellen Bauweise analysieren lassen und

daraus Regeln für die bauliche Weiter-

entwicklung abgeleitet. Dort wissen In-

vestoren, dass die Gemeinde sie unter-

stützt, dass aber über die Qualität der

Gestaltung diskutiert wird. Da ab jetzt

im Bestand gebaut wird, werden sich

ästhetische Fragen häufiger und schär-

fer stellen.

Ruedi Weidmann

Das Interview ist in der Ausgabe 1-2/2014 von

TEC21 erschienen.

www.espazium.ch/tec21

RAUMPLANUNG

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Schweizer Gemeinde 5/14

Netzwerk Altstadt

Das Kompetenzzentrum Netzwerk

Altstadt bietet Expertenwissen und

einen Werkzeugkasten für Gemein-

den, die strukturellen Problemen in

ihrer Altstadt begegnen wollen. Die

2007 von Urs Brülisauer und Paul

Hasler entwickelte Initiative fand

Unterstützung beim Bundesamt für

Wohnungswesen (BWO); die Ge-

schäftsstelle wurde zunächst beim

Städteverband angesiedelt und 2011

zur VLP-ASPAN transferiert. Seither

wurden weitere Experten ausgebil-

det und der Service auf die Roman-

die ausgedehnt. Die Dienstleistung

wird stark nachgefragt, sie soll künf-

tig in das Beratungszentrum «Dialog

Siedlung» integriert werden.

rw

Informationen:

www.netzwerk-altstadt.ch

Input SRF 3:

www.tinyurl.com/nxz6tyl