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des Pflichtenhefts (das auch öffentliche

Parkplätze und eine vierstöckige Liegen-

schaft umfasste, die neben dem Super-

markt auch Büros sowie seniorenge-

rechte und betreute Wohnungen beher-

bergt) erfüllen würde, würden wir uns

verpflichten, ihm innerhalb von 60 Ta-

gen eine Baubewilligung zu erteilen!»

Die Stadt ist ermächtigt, Baubewilligun-

gen selbst auszustellen. Deshalb wurde

das Projekt trotz Einsprachen innerhalb

der angekündigten Frist genehmigt und

anschliessend rasch realisiert. Das be-

weist: Verfahren, die in grossen Agglo-

merationen manchmal Jahre dauern,

können in Delsberg in ein paar Monaten

erledigt werden.

Als zweites Beispiel nennt Jaquier ein

laufendes Projekt: Ein Detailhandels-

konzern wollte ein neues Einkaufszen-

trum bauen. Im Laufe des Gesprächs

fragte der Stadtpräsident von Delsberg,

Pierre Kohler, den Vertreter des Inves-

tors, ob dieser Interesse daran habe, zu-

sätzlich – auf Kosten des Kantons und

der Stadt – einen Veranstaltungssaal so-

wieWohnungen zu errichten. Der Inves-

tor war interessiert. Für diese öffentlich-

private Partnerschaft benötigte die

Stadt das Verfügungsrecht über ein be-

stimmtes Grundstück. Dies erforderte

einen Parzellentausch – welcher prompt

innert 20 Tagen über die Bühne ging!

«Das ist der Vorteil einer Kleinstadt: Je-

der kennt hier jeden. So ist es jederzeit

möglich, bei Bedarf rasch den Leiter ei-

nes kantonalen Amts oder sogar einen

Regierungsrat zu sprechen.»

Welche Projekte werden das Delsberg

von morgen prägen? Laut Hubert Ja-

quier liegen etwa 40 Vorhaben auf dem

Tisch. Rund 15 davon sind bereits auf

demWeg. Sie betreffen Geschäfte, aber

auch Wohnungen, Bauten und öffentli-

che Anlagen. Alle sind sieTeil einer nach

innen gerichteten Urbanisierungspolitik,

die auf Verdichtung und die Sanierung

der urbanen Brachen im Stadtzentrum

abzielt. Bereits heute verfolgt Delsberg

eine Politik zur Eindämmung der Zer-

siedlung und hat damit in gewisser

Weise die Revision des Raumplanungs-

gesetzes, die am 1. Mai in Kraft tritt, vor-

weggenommen.

Projektunterstützung statt Baupolizei

Anders als am Genfersee geben sich

die Promotoren in Delsberg nicht die

Klinke in die Hand. Ein paar Jahre lang

glänzten sie sogar durch völlige Abwe-

senheit. «Als dann einige von ihnen zu-

rückkehrten, beschlossen wir, sie zu un-

terstützen und über das ganze Projekt

hinweg zu begleiten», erzählt Hubert Ja-

quier. «Dieses Vorgehen bedingte eine

Praxisänderung in der Verwaltung, was

im Richtplan von 1998 ausdrücklich er-

wähnt ist. Meine Vorgänger begnügten

sich im Wesentlichen mit ihrer Rolle als

Baupolizei.Wenn ein Promotor erschien,

wurde ihm erklärt, was alles nicht ging.

Dann wartete man darauf, dass er mit

einem geänderten Projekt zurückkam.

Manchmal kam er gar nicht zurück.

Heute unterstützen wir die Projekte. Na-

türlich gibt es Rahmenbedingungen und

Bestimmungen, die eingehalten werden

müssen, aber man darf auch nicht zu

stur sein. Wir haben neue Instrumente

entwickelt, unsere Absichten deutlich

gemacht, in Verhandlungen und bei der

Suche nach Lösungen die Initiative er-

griffen – und sind als Bauherren mit gu-

tem Beispiel vorangegangen. Früher

feilschten wir zuweilen drei Jahre lang

an Details. Diese Zeiten sind vorbei.»

Bundeshilfe für die Agglomerationen

Eine wandlungsfähige Verwaltung; ein

dynamischer und gut vernetzter Stadt-

präsident in der Person des ehemaligen

Regierungs- und Nationalrats Pierre

Kohler; unkomplizierte Kontakte in einer

Kleinstadt, aber auch die Unterstützung

des Bundes für die Agglomerationen

trugen zum Erfolg von Delsberg bei.

«Wir haben vom Bund Finanzhilfen in

Höhe von 40 Prozent für das erste Pro-

jekt und von 35 Prozent für das zweite

erhalten. Diese Finanzierungen haben

unsere Urbanisierungspolitik für das

Stadtzentrum unterstützt und als Kataly-

sator für die Entwicklung der öffentli-

chen Infrastrukturprojekte gewirkt.» Die

Agglomerationspolitik des Bundes nennt

Hubert Jaquier schlicht einen «Genie-

streich» – ein seltenes Lob! Das grosse

Verdienst Delsbergs, dessen Bevölkerung

seit 2006 umfast 1000 auf über 12 200 Ein-

wohnerinnen und Einwohner angewach-

sen ist, besteht darin, rechtzeitig auf den

fahrenden Zug aufgesprungen zu sein.

2030 als neuer Planungshorizont

Die jurassische Hauptstadt will den ein-

geschlagenen Kurs weiterverfolgen. So

wird über den neuen Ortsplan «Delé-

mont, cap sur 2030» («Kurs auf 2030»)

bereits an der zukünftigen Strategie ge-

feilt. Die bisherige Politik soll weiterge-

führt und verstärkt werden mit dem

Ziel, Delsberg im Verbund der Schwei-

zer Agglomerationen und Städte gut zu

positionieren. Der Kanton Jura, der

diese Politik unterstützt, hat vor Kurzem

seine Kandidatur für das Projekt eines

nationalen Innovationsparks in Zusam-

menarbeit mit den Nachbarkantonen

Basel-Landschaft und Basel-Stadt ein-

gereicht. Dieses Projekt, das dem Kan-

ton Jura eine Anbindung an das wich-

tigste schweizerische Life-Science-Zen-

trum ermöglichen würde, könnte sich

um den zukünftigen Campus herum

gruppieren. Dieser Komplex soll rund

500 Studierenden Platz bieten und auf

dem Gelände des strategischen Ent-

wicklungsschwerpunkts Bahnhof Nord

entstehen.

Auch für die Südseite des Bahnhofs be-

stehen bereits verschiedene ehrgeizige

Projekte, darunter für ein Kongress-

zentrum, Büros,Wohnungen und öffent-

liche Bauten. Das Gelände trägt den

Namen «Territoire de confluence de

l’agglomération» und soll in den kom-

menden Jahren und Jahrzehnten zu

einem Wahrzeichen Delsbergs werden.

Vincent Borcard

RAUMENTWICKLUNG

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Schweizer Gemeinde 5/14

Ein Campus, der in der Nähe des Bahnhofs gebaut wird und

Projektbild: IPAS-HRS

künftig für 500 Studentinnen und Studenten zugänglich ist.