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Die Fortschritte biomedizinischer Wissenschaft und Technik haben das Ver-

hältnis von Arzt und Patient, die Arbeitsbedingungen und die Leistungsfähigkeit

der traditionellen Medizin in eine neue Dimension gestellt. Gesundheit – immer

noch als Funktionieren des Organismus missverstanden und Krankheit ebenso

als Dysfunktion missverstanden – können nicht mehr aus dem sozial werthaf-

ten Gefüge unseres individuellen und gesellschaftlichen Lebens herausgelöst

werden. Dass Gesundheit und Krankheit nicht allein mit naturwissenschaftlich-

statistischen Parametern gemessen werden können, sondern der normativ-

kulturelle Bestand zumindest einbezogen werden muss, scheint allmählich

nicht mehr in Frage gestellt zu werden. Die Feststellung, dass Gesundheit vom

Menschen in seiner alltäglichen Lebensumgebung geschaffen und gelebt wird,

enthält auch den Hinweis, dass gesundheitliche Verbesserungen nur teilweise

auf die Fortschritte der medizinischen Betreuung zurückzuführen sind.

Zwischen dem Gesundheits- und Krankheitsbegriff, dem Therapieziel und

der Arzt-Patient-Beziehung bestehen enge Zusammenhänge.Wird unter Krank-

heit eine defekte Maschine verstanden, ist das Ziel der Therapie die Reparatur

und es entsteht ein Verhältnis des Technikers zu seiner Maschine. Heißt Krank-

heit hingegen das Leiden eines Menschen mit Bewusstsein, Sprache und sozialen

Beziehungen, wird die Behandlung zur Heilkunst. In diesem Zusammenhang

kann auch eine Äußerung von H. G. Gadamer zitiert werden, wonach sich

Gesundheit nicht messen lässt, weil sie Zustand der inneren Angemessenheit

und Übereinstimmung mit sich selbst ist. Gesundheit hat auch mit der Erfah-

rung von Freiheit und Autonomie zu tun, mit dem Nicht-eingeschränkt-sein

des Menschen in seinen Handlungen und damit dem Lebensgefühl einer meist

unbestimmten diffusen Harmonie.

Die aufbrechenden Fragen zwischen einem Recht auf Gesundheit und einer

Pflicht zur Gesundheit stellen erneut die Frage, ob sich Gesundheit als bloße

Abwesenheit von Krankheit bestimmen lassen kann.

Gesundheit lässt sich weder in quantitativen Parametern messen, noch am

Ideal kraftstrotzender Jugendlichkeit, unbegrenzter Leistungs- und Genuss-

fähigkeit. Gesundheit ist immer auch eine Haltung, die mir das Umgehen

mit Krankheit ermöglicht und ein Zustand, der mir die Entfaltung meiner

Lebensentwürfe und damit meine Würde und Personalität erhält. Nach H. M.

Sass bleibt auch für Gesundheit, Krankheit und Heilung maßgeblich, dass das

Wertbild des Patienten ebenso wichtig ist, wie sein Blutbild.

Die Adaptationsphysiologie liefert die Grundlagen für das Verständnis

bestimmter Wirkungen wie sie als Kureffekt auftreten, aber auch einem Aus-

dauertraining zugrunde liegen. Mit der Thematik adaptationsphysiologischer