Previous Page  35 / 72 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 35 / 72 Next Page
Page Background

der Geburtsstation auch für das

sogenannte Kinderzimmer zustän-

dig war. Schwester Rita betreute

und versorgte dort die Säuglinge,

während sich die Frauen auf ihren

Zimmern ausruhten und sich von

der Geburt erholten. „Eine Seele von

einem Menschen“, sagt Mechtild

Schröter. Liebevoll habe sie über

ihre Schützlinge gewacht, war

warmherzig gegenüber ihren Mit-

arbeiterinnen und habe tatkräftig

mitgearbeitet.

Zu dieser Zeit war in der Geburtshilfe

viel im Wandel. Immer öfter kamen

auch die Männer zur Unterstützung

der Frauen mit in den Kreißsaal.

Anders als heute mussten die Be-

gleitpersonen aber noch Kittel und

Kopfschutz tragen und die Entbin-

dungszimmer waren, was das In-

terieur anging, eher kühl und steril

gehalten „Unsere Kreißsäle sind

heute farbenfroh gestaltete Räu-

me, die Geborgenheit und Wärme

ausstrahlen. In den siebziger und

achtziger Jahren war der Kreißsaal

noch ein Ort, der – grün gekachelt –

sehr viel mehr nach Krankenhaus

und Operationssaal aussah.“ Das

war auf den Geburtsstationen zu

dieser Zeit grundsätzlich so.

Auch das Selbstbewusstsein der

Frauen in Bezug auf die Geburt habe

sich geändert, so Schröter weiter.

Heute werde viel mehr über das

Ereignis Geburt gesprochen als da-

mals. Viele Schwangere informier-

ten sich vorab sehr gut und wollten

möglichst eine selbstbestimmte Ge-

burt erleben. Die Hebamme beglei-

tet und unterstützt dabei und greift

nur ein, wenn es notwendig ist.

Der sogenannte ‚Hebammenkreiß-

saal‘ in der Frauenklinik am Heilig

Geist-Krankenhaus, der in diesem

Jahr eingeführt wurde, kommt ge-

nau diesem Bedürfnis vieler Frauen

entgegen. Auch dass Mutter und

Kind direkt nach der Geburt auf

dem Kreißsaalbett liegen und Haut-

zu-Haut-Kontakt haben, ist heute

Standard. In den siebziger Jahren

war das noch anders, da wurde

das Baby von den Hebammen erst

einmal gewaschen, gewogen und

eingepackt, bevor es der Mutter in

die Arme gelegt wurde.

Auch traurige Momente

im Kreißsaal

Doch nicht nur schöne Momente

halte die Arbeit als Hebamme bereit.

In seltenen Fällen kommt es nicht

so, wie es eigentlich vorgesehen

ist. Es gebe Erlebnisse, die blieben

einem im Gedächtnis, erzählt die

Hebamme. Zum Beispiel die fünf-

fache Mutter, die vor Jahren hoch-

schwanger auf die geburtshilfliche

Station kam und sagte: „Ich glaube,

mein Kind lebt nicht mehr.“ Leider

bestätigte sich der Verdacht. Das

Kleine litt unter einem seltenen Gen-

defekt und war nicht lebensfähig.

Mechtild Schröter half der Frau, das

Kind zur Welt zu bringen. Ohne de-

ren Mann, der sollte bei den übrigen

Kindern bleiben. Der Schmerz, den

der Verlust eines Kindes mit sich

bringt, gehe einem unter die Haut,

egal wie lange man den Beruf aus-

übt, sagt Mechtild Schröter nach-

denklich. Man komme den Familien

im Kreißsaal emotional sehr nah.

Ihr eigenes Kind hat sie auch am

Heilig Geist-Krankenhaus entbun-

den, begleitet von einer befreun-

deten Kollegin. Auch war sie selbst

die betreuende Hebamme bei der

Geburt ihrer über 35 Jahre jüngeren

Kollegin Tanita Hanowski, ein wirk-

lich erstaunlicher Zufall. „Ein schö-

nes Gefühl, zu wissen, dass einen

die eigene Kollegin mit auf die Welt

begleitet hat“, sagt die junge Heb-

amme dazu. Sie habe noch einiges

von ihr lernen können. Leider ist die

kurze gemeinsame Zeit schon vor-

über. Mechtild Schröter hat andere

Pläne. Sie wird mit ihrem Mann an

die See ziehen. Ein lang gehegter,

gemeinsamer Traum, den sie sich

nun erfüllen wollen. Der Abschied

vom Kreißsaal und den Kolleginnen

fällt trotz der Freude über den neuen

Lebensabschnitt schwer. „Und die

Geburten“, sagt sie, „die werde ich

vermissen. Einem Kind auf die Welt

zu helfen und das Glück der Eltern

zu sehen, ist schon etwas Groß-

artiges.“

Zwillinge himmeln Schwester M. Rita an

35

Profile | Personen

CellitinnenForum 3/2018