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LITEUATUK.

E rst in dem letzten Decennium des 15. Jahrliunderts

finden wir bei den Danen die ersten Spuren der Buchdrucker-

kunst. Allein die Productionen der danischen Presse gegen

das Ende des 15. und im Anfange des 16. Jahrhunderts lie- '

fern eher Bruchstiicke zu einer sprachgeschichtlichen For-

schung und Beobachtung als zu einer literarischen Ueber-

sicht. Die Nation w ar freilich schon damals im Besitze

einer Sammlung von Sagen, Marchen, Romanzen, Balladen

und Gesangen, die noch immer eine Quelle bleibt, wo der

danische Dichter seine Phantasie und Begeisterung er-

frisch t; im Herzen und auf den Lippen der danischen Man-

ner und Frauen bliihten jene Lieder, eine ewig frische

Blume der danischen Poesie, und die Nation besass sie also

auf eine ganz andere, innigere Weise, als sie manches zu

tausenden von Exemplaren gedruckte Werk ihrer besten

Dichter jetzt sich angeeignet hat. Aber gerade deswegen ist

es wohl den Danen der damaligen Zeit nicht eingefallen,

die Buchdruckerkunst in den Dienst dieser Poesie treten

zu lassen. Jene Poesie des Mittelalters, jene Sammlung von

Sagen, Romanzen etc., nennen die Danen ,,Kåmpeviser“ ,

theils weil sie die hohen und wunderbaren Kriegs- und

Liebesthaten ihrer Riesen, Helden und Heldinnen besingen,

theils weil sie der kraftvollen Periode ihrer Nation ent-

sprungen sind. Charakteristisch fiir diese Poesie ist die

Musik, die zu gleicher Zeit m it dem Teste entstand, und

die, in ihren volksthiimlichen Tonen und nordischen Me­

lodien m it den Gedichten selbst wetteifern, um uns eine

klare und reiche Voi'stellung von dem Zeitalter zu bewah-

r e n , woraus entweder der Inhalt des Gedichts geschopft

ward, oder aus welchem dieses zugleich mit seinem Ge-

genstand hervorging.

Mit der lutherischen Reformation und deren Einzug

im Norden, also um die Mitte des 16. Jahrhunderts, nahm

die danische Literatur einen relativ grossen Aufschwung;