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Im Jahr 2030 soll die Zahl der

pflegebedürftigen Personen auf

3,4 Millionen ansteigen, viele davon

mit einem Spektrum von demen-

ziellen Veränderungen. Ethische

Herausforderungen in der Versor-

gung dieser Menschen brauchen

schon jetzt unser Augenmerk auf

mehreren Ebenen.

Der Fokus der ersten Ebene sind

unsere Patienten und Bewohner:

Wie helfen wir ihnen im Umgang

mit der eigenen Unsicherheit, die

durch die zunehmende Demenz auf

sie zukommt? Wie helfen wir ihnen,

mit den vielen kleinen und großen

Verlusterfahrungen umzugehen, die

eine Demenz mit sich bringt? Wie

lernen wir, sie wertzuschätzen und

was lernen wir für uns selbst durch

ihre zunehmende Schwäche und

Verletzlichkeit?

Eine der wichtigsten ethischen

Fragen ist jedoch, wie wir unse-

ren Patienten und Bewohnern der

Seniorenhäuser helfen können,

frühzeitig schon Entscheidungen

zu treffen, bevor sie am Ende ihres

Lebens durch den Verlust ihres

Denkens nichts mehr für sich selbst

entscheiden können. Ein wichtiges

Prinzip der klinischen Ethik ist die

aufgeklärte Einwilligung in Operatio-

nen oder andere medizinische Be-

handlungen. Als zukünftiger Patient

mit Demenz kann die relative Auto-

nomie dadurch bewahrt werden,

dass wir uns schon lange im Voraus

Gedanken machen, welche Ein-

griffe oder lebensverlängernden

Maßnahmen wir ablehnen oder

befürworten. Diese werden dann

in einer Patientenverfügung nie-

dergeschrieben. Viel wichtiger ist

jedoch, dass wir mit Menschen

unseres Vertrauens das Gespräch

suchen und unsere Wünsche dis-

kutieren und genau darlegen, da-

mit diese dann als unsere Bevoll-

mächtigten in unserem Sinne mit

den Ärzten zusammen entscheiden

können.

Die zweite ethische Ebene unserer

gesellschaftlichen Verantwortung

liegt in der Unterstützung von pfle-

genden Mitarbeitern und Angehö-

rigen. Schon jetzt werden über

die Hälfte aller pflegebedürfti-

gen Menschen in Deutschland

zu Hause gepflegt. Emotionale

und körperliche Überlastung

und Isolation vom sozialen

Leben sind nicht selten

die Folge für die Famili-

en. Eine Hilfe, mit diesen

Belastungen umzugehen,

sind die vorsorgenden Ent-

scheidungen des Patienten

für das Ende des Lebens,

damit die Betreuenden nicht

selbst hinterfragen müssen,

was der mutmaßliche Wille des

Patienten gewesen sein könnte.

Die dritte Ebene unserer gesell-

schaftlichen Verantwortung im

Blick auf die sich rasant ändernde

Patientendemografie ist die zeit-

nahe Umsetzung von Gesundheits-

reformen, wie die Ausweitung der

spezialisierten ambulanten Palliativ-

versorgung (SAPV), die Anpassung

der Pflegeversicherungen und eine

angemessene Vergütung für Pfle-

geberufe. Unsere christlich-huma-

nistische Handlungsweise gegen-

über dem menschlichen Leben in

allen seinen Lebensphasen wird

ein ausschlaggebendes Beispiel

sein für zukünftige Generationen

im Umgang miteinander.

Dr. Sylvia Klauser

Demenz –

eine ethische Herausforderung

Patienten, Pflegende und Gesetzgeber sind aufgerufen, zeitig zu handeln

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CellitinnenForum 3/2015

Glauben | Leben