Previous Page  24 / 80 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 24 / 80 Next Page
Page Background

24

TOP

NEWS

2 / 2016

Artikel: Björn Drescher, Drescher & Cie, für BCA Investment Research

Risiken erkennen, verstehen

und nutzen

„There is no free lunch“, sagt ein altes Börsensprichwort und

meint, dass es keinen risikolosen Ertrag an den Kapitalmärkten

gibt. Vielen Anlegern wird dieser Umstand erst schrittweise in der

sich immer weiter ausbreitenden Dürre des Niedrigzinsumfeldes

bewusst. Zu selbstverständlich und bedingungslos nahmen sie

jahrzehntelang die attraktiven Zinssätze der Anleihen bester Bo-

nität hin und die Kursschwankungen der entsprechenden Papiere

kaum wahr.

Die Vertreibung aus der Komfortzone droht aber nicht nur bei den

Anleihen im engeren Sinne, sondern auch in der Asset-Klassen

übergreifenden Vermögensverwaltung, wo die Anleihen traditio-

nell für stabile Erträge, robuste Risikopuffer und zumeist negative

Korrelationen zur Anlageklasse der Aktien standen und nun gleich

alle drei Eigenschaften zu verlieren drohen. Anders formuliert: Die

klassische, vom Long-only-Gedanken getriebene Asset Allocation

stößt an ihre Grenzen oder lässt für die Zukunft, doch zumindest

bis auf Weiteres, deutlich höhere Kursschwankungen bei tenden-

ziell eher sinkenden Erträgen erwarten.

Angesichts der Tatsache, dass die Renditen zehnjähriger deut-

scher Staatsanleihen, die hier nur stellvertretend für andere Anlei-

hen guter Bonität stehen sollen, mittlerweile mathematisch gegen

Null tendieren, ändert sich die Wahrnehmung der Marktteilneh-

mer inzwischen langsam, aber spürbar. Es wird immer deutlicher:

Nennenswerte Renditen werden zukünftig aus aktivem Wertpa-

piermanagement kommen müssen und etwas mit Selektion, Ti-

ming, Antizyklik und alternativen Anlagestrategien zu tun haben.

Dabei werden die Investoren ihre Chancen um den Preis adäqua-

ter Risiken erkaufen müssen. Der Markt gewährt nur denen Prä-

mien, die Risiken nehmen, als Chance verstehen und nutzen.

Aber welche Risiken sind kalkulierbar, wie identifiziert man Risi-

ken überhaupt, wie begreift man sie und wie wägt man sie ab?

Wer diesen Fragen nachgehen will, kommt nicht umhin, sich

näher mit dem Begriff als solchem und seinen Ausprägungen

auseinanderzusetzen. Denn das vermutlich dem Italienischen

entstammende Wort „Risiko“ steht keinesfalls – wie vielfach

gedeutet – einseitig für die schicksalhafte und vom Zufall ab-

hängige Gefahr, sondern auch für die möglicherweise ebenso

schicksalhafte positive Auswirkung, die zusammen durch das

Wagnis verbunden sind. Man sieht, Chance und Gefahr stehen

schon per Definition des Risikos in direktem Verwandschafts-

verhältnis, bedingen sich förmlich.

Was das Risiko ausmacht, ist die Informationsunsicherheit einen

bestimmten Sachverhalt betreffend und die mit ihr verbundene

Möglichkeit der Zielbeeinträchtigung bis Verfehlung. Man könnte

auch von einer möglichen Abweichung eines erwarteten Wertes,

Ereignisses oder Szenarios sprechen. Sagen wir es so: Ein erwar-

teter Verlust von -10% birgt als Risiko die Chance eines geringeren

Abb.: Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe