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2 / 2016
Artikel: Björn Drescher, Drescher & Cie, für BCA Investment Research
Risiken erkennen, verstehen
und nutzen
„There is no free lunch“, sagt ein altes Börsensprichwort und
meint, dass es keinen risikolosen Ertrag an den Kapitalmärkten
gibt. Vielen Anlegern wird dieser Umstand erst schrittweise in der
sich immer weiter ausbreitenden Dürre des Niedrigzinsumfeldes
bewusst. Zu selbstverständlich und bedingungslos nahmen sie
jahrzehntelang die attraktiven Zinssätze der Anleihen bester Bo-
nität hin und die Kursschwankungen der entsprechenden Papiere
kaum wahr.
Die Vertreibung aus der Komfortzone droht aber nicht nur bei den
Anleihen im engeren Sinne, sondern auch in der Asset-Klassen
übergreifenden Vermögensverwaltung, wo die Anleihen traditio-
nell für stabile Erträge, robuste Risikopuffer und zumeist negative
Korrelationen zur Anlageklasse der Aktien standen und nun gleich
alle drei Eigenschaften zu verlieren drohen. Anders formuliert: Die
klassische, vom Long-only-Gedanken getriebene Asset Allocation
stößt an ihre Grenzen oder lässt für die Zukunft, doch zumindest
bis auf Weiteres, deutlich höhere Kursschwankungen bei tenden-
ziell eher sinkenden Erträgen erwarten.
Angesichts der Tatsache, dass die Renditen zehnjähriger deut-
scher Staatsanleihen, die hier nur stellvertretend für andere Anlei-
hen guter Bonität stehen sollen, mittlerweile mathematisch gegen
Null tendieren, ändert sich die Wahrnehmung der Marktteilneh-
mer inzwischen langsam, aber spürbar. Es wird immer deutlicher:
Nennenswerte Renditen werden zukünftig aus aktivem Wertpa-
piermanagement kommen müssen und etwas mit Selektion, Ti-
ming, Antizyklik und alternativen Anlagestrategien zu tun haben.
Dabei werden die Investoren ihre Chancen um den Preis adäqua-
ter Risiken erkaufen müssen. Der Markt gewährt nur denen Prä-
mien, die Risiken nehmen, als Chance verstehen und nutzen.
Aber welche Risiken sind kalkulierbar, wie identifiziert man Risi-
ken überhaupt, wie begreift man sie und wie wägt man sie ab?
Wer diesen Fragen nachgehen will, kommt nicht umhin, sich
näher mit dem Begriff als solchem und seinen Ausprägungen
auseinanderzusetzen. Denn das vermutlich dem Italienischen
entstammende Wort „Risiko“ steht keinesfalls – wie vielfach
gedeutet – einseitig für die schicksalhafte und vom Zufall ab-
hängige Gefahr, sondern auch für die möglicherweise ebenso
schicksalhafte positive Auswirkung, die zusammen durch das
Wagnis verbunden sind. Man sieht, Chance und Gefahr stehen
schon per Definition des Risikos in direktem Verwandschafts-
verhältnis, bedingen sich förmlich.
Was das Risiko ausmacht, ist die Informationsunsicherheit einen
bestimmten Sachverhalt betreffend und die mit ihr verbundene
Möglichkeit der Zielbeeinträchtigung bis Verfehlung. Man könnte
auch von einer möglichen Abweichung eines erwarteten Wertes,
Ereignisses oder Szenarios sprechen. Sagen wir es so: Ein erwar-
teter Verlust von -10% birgt als Risiko die Chance eines geringeren
Abb.: Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe