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2 / 2016
Artikel: Dirk Arning, Drescher & Cie, für BCA Investment Research
Dividenden-Saison
Die Schere hat sich weit geöffnet: Während die Zinsen den Null-
punkt erreichen und der Unmut über entgangene Zinseinnahmen
größer wird, erreichen die Dividendenzahlungen neue Rekord-
höhen. Doch Dividenden sind nicht die neuen Zinsen. Wer bei
seiner Anlagestrategie auf Dividenden setzt, sollte die Besonder-
heiten dieser Erträge verstehen.
Dividenden – das unbekannte Wesen
Während Zinsen die Vergütung für die Überlassung von Fremdka-
pital sind, sind Dividenden die Vergütung für die Überlassung von
Eigenkapital. Daraus ergeben sich die Gemeinsamkeiten, aber
auch schon der wesentliche Unterschied: Für die Höhe der Zinsen
gibt es eine feststehende Vereinbarung; Dividenden hängen dage-
gen vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens ab. Die Divi-
dende ist der Teil des Unternehmensgewinns, den eine Aktienge-
sellschaft an ihre Eigentümer, also die Aktionäre, ausschüttet.
Auch wenn sich eine Aktiengesellschaft selbst auf eine Dividenden-
politik festgelegt hat, beispielsweise in Form einer bestimmten
Ausschüttungsquote, bleibt die Dividende doch grundsätzlich eine
variable Größe, die von der Höhe des Unternehmensgewinns ab-
hängig ist. Formal entscheiden die Aktionäre selbst darüber, wie
viel Dividende sie erhalten. Praktisch folgen die Dividendenbe-
schlüsse den Vorschlägen des Managements. In der Regel wird eine
Aktiengesellschaft ihre Gewinnausschüttung danach bemessen,
welchen Teil ihres Überschusses sie nicht für Investitionen oder
die Bedienung von Fremdkapital verwendet. Unternehmen, die
stark wachsen, sich entschulden wollen oder hohen Investitions-
bedarf haben, schütten deshalb keine oder nur eine geringe Divi-
dende aus. Benötigt ein Unternehmen seine Gewinne dagegen
nicht zur Erhöhung seines Eigenkapitals, kann es bis zu 100 Pro-
zent seines Gewinns (nach Zinsen und Steuern) als Dividende
ausschütten. Es kommt sogar vor, dass Unternehmen mehr als ihren
Gewinn, also Teile ihrer Substanz ausschütten, beispielsweise
wenn absehbar ist, dass der Verlust durch außerordentliche Be-
lastungen entstanden ist und sich nicht jedes Jahr wiederholen
dürfte, so bei Rückversicherungskonzernen, die in einzelnen Jahren
durch besonders schwere Schadenfälle belastet werden. Zu hohe
Ausschüttungen könnten allerdings die Handlungsfähigkeit und
Zukunftsfähigkeit des Unternehmens gefährden.
Je nach Situation des Unternehmens kann es sinnvoller sein, den
Unternehmensgewinn größtenteils oder vollständig im Unterneh-
men zu „thesaurieren“, einzubehalten, und damit die Eigenkapi-
talausstattung der Aktiengesellschaft zu verbessern. Für den Aktio-
när ist dieses Geld dadurch ja nicht verloren, erhöht es doch die
Substanz, konkret das Eigenkapital bzw. den „Buchwert“ des Un-
ternehmens und damit jeder einzelnen Aktie. Dass Aktienkurse
langfristig steigen, liegt also letztendlich vor allem daran, dass der
Wert des Unternehmens durch einbehaltene Gewinne steigt.
Langfristig und im Durchschnitt über verschiedene Länder und
Branchen hinweg schütten Aktiengesellschaften knapp die Hälfte
ihrer Gewinne als Dividenden aus, während der etwas größere Teil
der Gewinne zur Finanzierung des Unternehmenswachstums
dient. Mithin macht die Dividende nur knapp die Hälfte der mit Ak-
tien langfristig erzielten Rendite aus. Der etwas größere Teil ergibt
sich aus den Kursgewinnen.
Dividende als Selektionskriterium
Die Höhe der Dividende und ihre Entwicklung im Zeitablauf ist
deshalb zwar ein Indiz für den wirtschaftlichen Erfolg des Unter-
nehmens, kann im Einzelfall aber auch von anderen Faktoren
überlagert werden. Eine Auswahl von Aktien allein nach ihrer Divi-
dende oder dem Verhältnis von Dividende zu Aktienkurs, der soge-
nannten Dividendenrendite, ist deshalb keine gute Strategie. So
zahlen Wachstumswerte wie viele Technologieunternehmen oft
keine oder nur eine vergleichsweise geringe Dividende und wür-
den bei einer reinen Orientierung an der Dividendenrendite selten
ausgewählt. Fonds, die erklärtermaßen „Dividendenstrategien“
verfolgen, stellen deshalb nicht allein auf die Höhe der Dividen-
denrendite ab, sondern würdigen die Kontinuität der Gewinnaus-
schüttungen und ihr Wachstum.
Dividenden auf Rekordniveau
Während Zinsanleger auf Nullkost gesetzt sind, wird für Dividen-
denempfänger üppig aufgetischt. Beispielsweise zahlt die Hälfte
der 30 im Deutschen Aktienindex (DAX) enthaltenen Unterneh-
men ihren Anteilseignern mehr Dividende als je zuvor aus. Die
guten Geschäftsergebnisse des Jahres 2015 machen es mög-
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