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2 / 2016

Artikel: Dirk Arning, Drescher & Cie, für BCA Investment Research

Aus Krisen lernen

Krise folgt auf Krise. Wer auf eine Zeit ohne Krisen wartet, um sich

an Aktieninvestments zu wagen, wird wohl noch lange warten

müssen. Und dann zu teuer kaufen, denn in der Krise liegt die

Chance zum günstigen Einstieg. Aber nicht alle einfachen Regeln

funktionieren. Ein paar andere sollte man aber beachten.

Der Mensch ist ein Herdentier

In der Gemeinschaft fühlt man sich meist wohl, zumindest sicher.

Wenn alle was machen, kann es wohl nicht falsch sein. Sich von

der Herde zu trennen, ist dagegen mit Risiken verbunden. Doch

an der Börse führt die vermeintliche „Schwarmintelligenz“ oft in

die falsche Richtung. Die Börsengeschichte ist voller Beispiele für

sprichwörtliche Lemminge, die sich kollektiv in finanzielle Abgründe

gestürzt haben: von der Tulpenmanie 1637 bis zum Platzen der

„New economy“-Blase nach der letzten Jahrhundertwende. Großen

Erfolg können dagegen langfristig denkende Investoren vorweisen,

die auf günstige Kaufgelegenheiten warten und dabei gegen die

vorherrschende Meinung handeln. „Im Einkauf liegt der Gewinn“,

lautet eine alte Redensart der Kaufleute.

Doch antizyklisches Verhalten fällt dem Menschen schwer; es wider-

spricht seiner Natur, sich gegen die vorherrschende Meinung und

Stimmung zu stellen, das Gegenteil von dem zu tun, was die Mehrheit

gerade tut. Doch dieses antizyklische Verhalten ist an der Börse auf

lange Sicht sehr viel erfolgversprechender als prozyklisches „Mitlau-

fen“. Glücklicherweise besitzt der Mensch, zumindest mancher, auch

die Gabe, aus der Vergangenheit zu lernen, sich auf Basis von Erfah-

rungen über seine Gefühle und den Herdentrieb hinwegzusetzen.

„Kaufen, wenn die Kanonen donnern.“ Die Erkenntnis, dass Kri-

sen gute Einstiegsgelegenheiten bieten, ist wahrlich nicht neu.

Doch welche Krisen belasten die Börsen? Wie lange und wie weit

fallen die Kurse? Grundsätzlich gilt: Ungewissheit belastet die Bör-

se und Unerwartetes bewegt sie. Ob eine Krise die Kurse drückt,

lässt sich letztendlich nur dort ablesen: an der Börse. Antizykli-

sche Kaufgelegenheiten ergeben sich also erst nach einem Crash

oder einer Baisse. Welche Lehren waren aus den Erfahrungen der

Vergangenheit zu ziehen?

Antizyklisches Kaufen

Der antizyklische Investor kann nicht warten, bis die Kurse wieder

steigen. Schon wenn erste Anleger glauben, einen Silberstreif am

Horizont ausmachen zu können, kann eine rasche Kurserholung

einsetzen. Wer dann „aufspringt“, verfolgt eigentlich eine prozykli-

sche Strategie. Antizyklische Strategien sind dadurch gekennzeich-

net, dass der Kauf meist „zu früh“ erfolgt, also vor dem Tiefpunkt.

Die erste Erfahrung mit einem regelrechten Aktien-Crash dürfte

ein Teil der heute aktiven Anleger mit dem Kurseinbruch im Okto-

ber 1987 gemacht haben. Die Stimmung war zunächst gar nicht

schlecht im Börsenherbst 1987, aber auch nicht überzogen eu-

phorisch. Seit dem Sommer 1984 befand sich die Wall Street in

einem Aufwärtstrend. Aber das im August markierte Jahreshoch

an den Aktienmärkten war Mitte Oktober rund 8 Prozent entfernt.

Die ganz große Mehrheit der Marktteilnehmer rechnete damit,

dass nach der mehrwöchigen Konsolidierung die Aktienkurse wei-

ter steigen würden, denn auf Jahressicht stand nur ein kleines

Plus zu Buche. Es kam bekanntlich anders. Die Gründe für den

Crash im Oktober 1987 sind heute fast vergessen. Inflationssor-

gen und ein hohes US-Handelsdefizit wurden genannt. Beides ha-

be das Vertrauen in den Dollar schwinden lassen. Und so waren

es wohl die Ängste vor Zinserhöhungen der amerikanischen No-

tenbank, die den Crash auslösten. Allein an einem Tag wurden an

der Wall Street mehr als 600 Millionen Aktien zum Verkauf ge-

stellt. Am Endes des Tages hatte der Dow Jones 22,6 Prozent ver-

loren und mit 508 Punkten den bislang schwersten Tagesverlust

seiner Geschichte erlebt.

War damit die Zeit für antizyklische Käufe gekommen? Wer den

Crash zum Einstieg nutzen wollte, konnte sich ein paar Wochen

Zeit lassen. Bis zum 4. Dezember weitete sich der Kursrückgang

bei US-Aktien auf 33,5 Prozent aus. Noch länger zu warten, ver-

teuerte den Einstieg dann allerdings. Keine zwei Jahre später wa-

ren die Verluste vollständig aufgeholt und die Aktienmärkte er-

reichten neue Rekordhöhen.

Auf der Suche nach einer einfachen antizyklischen Regel stellte

man sich also die Frage: Wie stark muss ein Aktienmarkt fallen,

um für antizyklische Käufe interessant zu sein? Für eine langfristi-

ge Analyse der Bärenmärkte bieten sich der amerikanische und

der japanische Aktienmarkt aufgrund ihrer langen Datenreihen

an. Um die Überlegungen nicht allein auf den 1987er-Crash zu

stützen, konnte man auch die vorausgegangenen Bärenmärkte

an der US-amerikanischen und der japanischen Aktienbörse ana-

© isak55 –Fotolia.com

Abb.: Dow Jones – der Verlauf seit 1960