Listen – Zuhören 2.0
Für gewöhnlich sind die Rollen klar verteilt:
Wenn der Patient uns in einer gesundheit-
lichen Fragestellung konsultiert, teilen
wir unser Wissen mit, beraten den Pati-
enten und er hört uns zu. Im Unterschied
dazu sind wir im Falle einer angestrebten
Verhaltensänderung des Patienten auf
Auskünfte vom Patienten angewiesen.
Zuhören ist eine Kunst, die nicht allein
im Stellen der richtigen Fragen und dem
Abwarten einer Antwort besteht. Im Rah-
men des MI wollen wir insbesondere die
Empower – Ticket zur Genesung
Für eine erfolgreiche Therapie muss der
Patient selbst das Ruder in die Hand neh-
men und sich auf den Weg machen, wir
geleiten ihn dabei. Wenn der Patient selbst
laut darüber nachdenkt, was zu ihm passt
und sagt, dass er Schritte unternehmen
möchte, ist das das Signal für uns, Optio-
nen anzubieten und mit ihm darüber ins
Gespräch kommen. Wir sind hier bildlich
gesprochen der Reiseberater und statten
ihn mit den für ihn passenden Reisemate-
rialien aus. Er wählt aus und entscheidet
und wir sprechen von einer Selbstver-
pflichtung (vgl. Abb. 4).
Veränderungsmotivation – Auf der Suche
nach DARN
Ich unterhalte mich unter Maßgabe von
RULE
mit dem Patienten und stelle Fra-
gen (Understand) mit dem Ziel, ganz
bestimmte Informationen zu erhalten
(Listen). Dabei interessiert mich insbe-
sondere, welche Wünsche (
D
esire), Fähig-
keiten (
A
bility), Argumente (
R
eason) und
Bedürfnisse (
N
eed) mit einer Heilung für
den Patienten (bewusst oder unbewusst)
in Zusammenhang stehen.
Ein großer Vorteil ist an dieser Stelle,
dass Sie den Patienten aus dem Apothe-
kenalltag möglicherweise schon gut ken-
nen. Diese Kenntnis individueller Fakten,
Eigenschaften und Vorlieben erleichtert es
uns, für den Patienten die entscheidenden
DARN
-Aspekte mit der wünschenswerten
Verhaltensänderung zu verknüpfen. So
gelingt es leichter, Therapievariationen
auszuarbeiten und alternative Wege vor-
zuschlagen (gegebenenfalls in Absprache
mit dem Arzt oder anderen Therapiebetei-
ligten), die für den Patienten gut annehm-
bar sind und ebenfalls zum Ziel führen.
Hier verdeutlicht sich ebenfalls die Stärke
der Medikationsanalyse als kontinuierli-
cher Prozess: Wir können von Termin zu
Termin den Patienten besser kennenler-
nen, Anknüpfungspunkte entdecken und
darauf aufbauen, den
Change Talk
mit Hil-
fe von
DARN
hervorlocken und bis hin zu
Selbstverpflichtung und konkreten Schrit-
ten weiter entwickeln (vgl. Abb. 5).
Diskrepanzen wahrnehmen
In der weiteren Unterhaltung (möglicher-
weise mit zeitlichem Abstand) zeige ich
Motive des Patienten (
→
DARN
) heraus-
hören. Zuhören verschafft den Raum, aus
dem heraus sich eine Verhaltensänderung
erreichen lässt. Ohne diese Raumgabe lau-
fen Prozesse nicht selten so ab: Frühzeitig
wird viel gesprochen, Gesprochenes ist
nicht annehmbar und wird „zerredet“, die
Stimmung leidet, der Patient (und auch der
Apotheker) geht zügig in den Widerstand
und dasmögliche Ziel wird ebenso verfehlt
wie der an sich offene Weg. Raumgabe er-
möglicht den Zutritt zu neuen, konstruk-
tiven Ebenen im gemeinsamen Aufstieg
(Abb. 3).
Reiz
+10
+5
0
-5
-10
Reaktion
Freiraum öffnet den eigenen Weg zur Veränderung
demotiviert,
belastende Kommunikation,
hohe Widerstände,
eine gesundheitsförderliche Veränderung
bleibt aus
Veränderungs-
bereitschaft
Zeit
Reaktion
hohe Eigenmotivation,
wenige/gelöste Widerstände,
offener für die eigene Entwicklung,
begründete Zuversicht,
flüssigere Kommunikation
mitinspiriert von der Logotherapie /
Viktor Frankl sowie Hinnerk Polenski
ABBILDUNG 3:
Reiz
→
Reaktion
: ImMedikationsprozess wiegt jeder Patient die Pro- und
Kontra-Positionen permanent ab. Hemmende „Kurzschlüsse“ im Gesprächsverlauf resul-
tieren aus starken Reizen, auf die der Patient schnell mit Widerstand reagieren kann. Der
Prozess wird abgebrochen und die förderliche Verhaltensänderung bleibt aus. Ergebnis
belastendender Kontakt und Frustrationserlebnisse auf beiden Seiten.
Reiz
→
Raum
→
Reaktion
: MI gibt uns den benötigten Zugang zum förderlichen Ge-
staltungsraum des Veränderungsprozesses. Die Entwicklung patienteneigener Ziele auf
Grundlage von DARN & RULE wird quasi „katalysiert“. Durch die von Empathie geprägte
Haltung und den konstruktiven Umgang mit auftretenden Widerständen geleiten wir
den Patienten in Richtung der zu ihm passenden Veränderung (
→
Change Talk
): Er selbst
steckt sich das Ziel (Selbstverpflichtung), gemeinsam bestimmen wir den Weg.
DARN
•
D
esire:
Wunsch heraushören (will, würde, wünschte)
•
A
bility:
Fähigkeiten ausleben, wiedererlangen (könnte)
•
R
eason:
greifbare/konkrete Argumente (bräuchte, würde wenn)
•
N
eed:
Bedürfnisse, Notwendigkeiten (sollte, muss, sollte mal wirklich)
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/ AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal
MOTIVIERENDE GESPRÄCHSFÜHRUNG