Previous Page  22 / 28 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 22 / 28 Next Page
Page Background

Listen – Zuhören 2.0

Für gewöhnlich sind die Rollen klar verteilt:

Wenn der Patient uns in einer gesundheit-

lichen Fragestellung konsultiert, teilen

wir unser Wissen mit, beraten den Pati-

enten und er hört uns zu. Im Unterschied

dazu sind wir im Falle einer angestrebten

Verhaltensänderung des Patienten auf

Auskünfte vom Patienten angewiesen.

Zuhören ist eine Kunst, die nicht allein

im Stellen der richtigen Fragen und dem

Abwarten einer Antwort besteht. Im Rah-

men des MI wollen wir insbesondere die

Empower – Ticket zur Genesung

Für eine erfolgreiche Therapie muss der

Patient selbst das Ruder in die Hand neh-

men und sich auf den Weg machen, wir

geleiten ihn dabei. Wenn der Patient selbst

laut darüber nachdenkt, was zu ihm passt

und sagt, dass er Schritte unternehmen

möchte, ist das das Signal für uns, Optio-

nen anzubieten und mit ihm darüber ins

Gespräch kommen. Wir sind hier bildlich

gesprochen der Reiseberater und statten

ihn mit den für ihn passenden Reisemate-

rialien aus. Er wählt aus und entscheidet

und wir sprechen von einer Selbstver-

pflichtung (vgl. Abb. 4).

Veränderungsmotivation – Auf der Suche

nach DARN

Ich unterhalte mich unter Maßgabe von

RULE

mit dem Patienten und stelle Fra-

gen (Understand) mit dem Ziel, ganz

bestimmte Informationen zu erhalten

(Listen). Dabei interessiert mich insbe-

sondere, welche Wünsche (

D

esire), Fähig-

keiten (

A

bility), Argumente (

R

eason) und

Bedürfnisse (

N

eed) mit einer Heilung für

den Patienten (bewusst oder unbewusst)

in Zusammenhang stehen.

Ein großer Vorteil ist an dieser Stelle,

dass Sie den Patienten aus dem Apothe-

kenalltag möglicherweise schon gut ken-

nen. Diese Kenntnis individueller Fakten,

Eigenschaften und Vorlieben erleichtert es

uns, für den Patienten die entscheidenden

DARN

-Aspekte mit der wünschenswerten

Verhaltensänderung zu verknüpfen. So

gelingt es leichter, Therapievariationen

auszuarbeiten und alternative Wege vor-

zuschlagen (gegebenenfalls in Absprache

mit dem Arzt oder anderen Therapiebetei-

ligten), die für den Patienten gut annehm-

bar sind und ebenfalls zum Ziel führen.

Hier verdeutlicht sich ebenfalls die Stärke

der Medikationsanalyse als kontinuierli-

cher Prozess: Wir können von Termin zu

Termin den Patienten besser kennenler-

nen, Anknüpfungspunkte entdecken und

darauf aufbauen, den

Change Talk

mit Hil-

fe von

DARN

hervorlocken und bis hin zu

Selbstverpflichtung und konkreten Schrit-

ten weiter entwickeln (vgl. Abb. 5).

Diskrepanzen wahrnehmen

In der weiteren Unterhaltung (möglicher-

weise mit zeitlichem Abstand) zeige ich

Motive des Patienten (

DARN

) heraus-

hören. Zuhören verschafft den Raum, aus

dem heraus sich eine Verhaltensänderung

erreichen lässt. Ohne diese Raumgabe lau-

fen Prozesse nicht selten so ab: Frühzeitig

wird viel gesprochen, Gesprochenes ist

nicht annehmbar und wird „zerredet“, die

Stimmung leidet, der Patient (und auch der

Apotheker) geht zügig in den Widerstand

und dasmögliche Ziel wird ebenso verfehlt

wie der an sich offene Weg. Raumgabe er-

möglicht den Zutritt zu neuen, konstruk-

tiven Ebenen im gemeinsamen Aufstieg

(Abb. 3).

Reiz

+10

+5

0

-5

-10

Reaktion

Freiraum öffnet den eigenen Weg zur Veränderung

demotiviert,

belastende Kommunikation,

hohe Widerstände,

eine gesundheitsförderliche Veränderung

bleibt aus

Veränderungs-

bereitschaft

Zeit

Reaktion

hohe Eigenmotivation,

wenige/gelöste Widerstände,

offener für die eigene Entwicklung,

begründete Zuversicht,

flüssigere Kommunikation

mitinspiriert von der Logotherapie /

Viktor Frankl sowie Hinnerk Polenski

ABBILDUNG 3:

Reiz

Reaktion

: ImMedikationsprozess wiegt jeder Patient die Pro- und

Kontra-Positionen permanent ab. Hemmende „Kurzschlüsse“ im Gesprächsverlauf resul-

tieren aus starken Reizen, auf die der Patient schnell mit Widerstand reagieren kann. Der

Prozess wird abgebrochen und die förderliche Verhaltensänderung bleibt aus. Ergebnis

belastendender Kontakt und Frustrationserlebnisse auf beiden Seiten.

Reiz

Raum

Reaktion

: MI gibt uns den benötigten Zugang zum förderlichen Ge-

staltungsraum des Veränderungsprozesses. Die Entwicklung patienteneigener Ziele auf

Grundlage von DARN & RULE wird quasi „katalysiert“. Durch die von Empathie geprägte

Haltung und den konstruktiven Umgang mit auftretenden Widerständen geleiten wir

den Patienten in Richtung der zu ihm passenden Veränderung (

Change Talk

): Er selbst

steckt sich das Ziel (Selbstverpflichtung), gemeinsam bestimmen wir den Weg.

DARN

D

esire:

Wunsch heraushören (will, würde, wünschte)

A

bility:

Fähigkeiten ausleben, wiedererlangen (könnte)

R

eason:

greifbare/konkrete Argumente (bräuchte, würde wenn)

N

eed:

Bedürfnisse, Notwendigkeiten (sollte, muss, sollte mal wirklich)

22

 / AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal

MOTIVIERENDE GESPRÄCHSFÜHRUNG