insbesondere auf die Entwicklung einer
tragfähigen Verhaltensänderung zielen
wir mit den Methoden des MI ab.
Wir sind aufgrund unseres Hinter-
grundwissens, unserer persönlichen Prä-
senz, der niederschwelligen Erreichbarkeit
und des Vertrauensverhältnisses zum Pa-
tienten in einer guten Position, um uns an
der Therapie zu beteiligen, indemwir dem
Patienten helfen, die Therapiehemmnisse
wahrzunehmen, ihre grundsätzliche Lös-
barkeit zu erkennen und diese in einem
geleiteten Prozess zu überwinden. Wir
können einen Verhaltensänderung ini-
tiieren, unterstützen und kontinuierlich
fördern.
Damit wir diese Therapiehemmnisse
mit Hilfe des MI bearbeiten können, muss
es sich umProbleme handeln, die aus dem
Patienten heraus entstehen. Hierzu zäh-
len beispielsweise Bedenken unterschied-
lichster Art, Verständnisschwierigkeiten,
Ambivalenzen, sowie bewusste oder un-
bewusste innere Konflikte.
Die konstruktive Grundhaltung und
die flexibel einsetzbaren Fertigkeiten, die
wir für das MI trainieren, werden uns ganz
nebenbei auch bei der Lösung von Proble-
men helfen, die den Patienten betreffen,
aber ihre Ursachen außerhalb seiner Per-
son haben: die Vermittlung und friedliche
Umschiffung von Problemsituationen
wie Lieferverzug, Änderungen im Medi-
kationsplan oder erklärungsbedürftige
Störungen der Versorgungskontinuität
(durch Anpassung des Festbetrages, Ra-
battverträge usw.).
Wir befinden uns im Kern des MI in ei-
ner Therapiebegleitung. Diese intensivere
Beschäftigung mit dem Patienten erfor-
dert Gespräche, die von einer bestimmten
Atmosphäre geprägt sind, braucht aber
nicht zwingend mehr Zeit, eher ist – mit
einiger Übung und zielführender Routi-
ne – das Gegenteil der Fall. Dabei sind die
Möglichkeiten eines Einstiegs kleinschrit-
tig und breit gefächert gegeben. Das MI
kann
• im normalen Umfang des Beratungs-
gesprächs wie in unserem gewählten
Beispiel der Raucherentwöhnung
• in wiederkehrenden Gesprächen mit
chronisch erkrankten Patienten, bei-
spielsweise zur Ernährungsumstellung
für den HbA
1c
/Harnsäurewerte, Ge-
wichtsabnahme bei Übergewicht oder
für Konditionstraining bei Atemwegs-
oder Herzkreislauferkrankungen
• im Rahmen von Medikationsanalyse
(MA) oder Medikationsmanagement
(MTM) mit mehr Zeit und terminierten
Gesprächen
• oder in vielen anderen Szenarien des
Versorgungsalltages, die den Patien-
ten zu einem veränderten Verhalten
geleiten,
zum Einsatz kommen.
Ursprung und Entwicklung der motivie-
renden Gesprächsführung
Das MI wurde von Therapeuten entwi-
ckelt, die erkannten, dass Verhaltensän-
derungen nicht mit der Brechstange, also
nicht unter Zwang herbeizuführen sind.
Der neue Ansatz stellt die Eigenmotivati-
on des Patienten in den Vordergrund und
erforscht diese gezielt, um sie als Antrieb
zur Verhaltensänderung zu nutzen. Auch
wenn die Methode ursprünglich für die
Situation der Therapiesitzung entwickelt
wurde, kann sie in adaptierter Form im
Apothekenalltag zur Anwendung kom-
men. Mit zunehmender Übung wird die
Methode auf eine immer größere Zahl von
Alltagssituationen anwendbar und es er-
schließt sich ein immer größerer Kreis von
Patienten, die aus Impulsen für Ihre Thera-
piegestaltung durch uns zusätzlichen Nut-
zen ziehen können.
Heilung auf Rezept ist nicht möglich
Der Arzt erkennt die Erkrankung und legt
die Medikation fest, ich erkläre die Medi-
kation, der Patient willigt ein und gesun-
det. So einfach der ideale Ablauf klingt, so
schwer, vielschichtig und hindernisreich
ist der Weg, den der Patient zurücklegen
muss, um das als sinnvoll erklärte Ziel zu
erreichen. Wenn eine Diagnose und ein
Therapieplan vorliegen, muss der Patient
die neue Situation erst einmal meistern
und innerlich nachvollziehen. Oftmals
stellt eine Krankheit für Ihn einen Ein-
schnitt, eine radikale Veränderung dar, die
in sein Weltbild und die Wahrnehmung
seiner selbst vielleicht gar nicht hinein-
passt (Comic A).
Die Grundhaltung und Methoden
des MI (nach Rollnick, Miller und Butler,
s. Tipps zur Vertiefung) (abgekürzt als
RULE
,
DARN
) wirken darauf hin, dass die
Antennen das Patienten auf Empfang ge-
stellt sind und können nur dann Früchte
tragen. Verfehlt das als Beratung angeleg-
te Gespräch den nicht empfangsbereiten
Patienten, handelt es sich nur um gespro-
chene Informationen, die ohne heilsame
Auswirkung verhallen. Beratung ist von
der reinen Information meilenweit ent-
fernt. Wir wollen den Patienten – in einem
strukturierten Prozess – von dort abholen,
COMIC A:
Beginn des Medikations- und Therapieprozesses: Ein Patient mit Leidensdruck sucht den Arzt auf. Untersuchung, Diagnos-
tik und Verschreibung folgen. Der Patient steht am Beginn seines Weges zur Genesung.
Zeichnung: Christine Weber
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/ AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal
MOTIVIERENDE GESPRÄCHSFÜHRUNG