die Hintergründe seiner Motivation. Erst
einmal nur hören. Gemäß der empirisch
ermittelten Faustformel werden Patien-
ten im Schnitt nach 20 Sekunden vom
Profi unterbrochen (vgl. Abb. 3). Sprechen
können wir anschließend immer noch.
Wann immer wir diese Motive (
DARN
)
heraushören, verstärken und spiegeln
wir sie. Aufgrund der Formulierung seiner
Wünsche erkennt der Patient die Diskre-
panz in seinem Verhalten und ist bereit,
sich von unserem Rat zur ersten Stufe von
Change Talk
geleiten zu lassen, der
Selbst-
verpflichtung
. Es handelt sich um die Ab-
sichtserklärung des Patienten, etwas zu
ändern, was er auch schon konkret be-
nennen kann. Wenn der Patient schließ-
lich davon berichtet, was er getan hat und
davon berichtet, was er aus der Selbstver-
pflichtung heraus umgesetzt hat, ist die
zweite Stufe erreicht (
konkrete Schritte
).
Daraus resultiert letztlich die nachhaltige,
intrinsische Verhaltensänderung und wir
sind einen großen Schritt weiter im Medi-
kations- oder Heilungsprozess (vgl. Abb. 4
und Comic C).
Nicht Ringen, sondern Tanzen
Um vorhandene praktische Erfahrung zu
nutzen und in das Erlernen der MI mit
einzubeziehen, ist es nützlich, sich drei im
Gesundheitswesen (und auch im persönli-
chen Alltag) zentrale Kommunikationssti-
le ins Bewusstsein zu rufen: Folgen, Gelei-
ten und Lenken.
Jeder der drei hat sein eigenes Ein-
satzgebiet in der Verfolgung bestimmter
Ziele. In der richtigen Mischung führen sie
zum übergeordneten Ziel. Es ist sinnvoll,
in diesem Zusammenhang von „Stil“ zu
sprechen, denn mit zunehmender MI-Pra-
xis entsteht ein bestimmtes Gefühl der
Leichtigkeit, da Sie mit dem Patienten we-
niger Kämpfe austragen. Das ist vergleich-
bar mit einer Tanzhaltung. Im MI wird in
diesem Kontext gerne davon gesprochen,
dass wir nicht „ringen“ sondern „tanzen“
wollen.
Die Stile nutzen stets eine Mischung
der drei Fertigkeiten Zuhören, Geleiten
und Lenken, jedoch mit unterschiedlicher
Gewichtung. Folgen nutzt schwerpunkt-
mäßig das Zuhören, Geleiten wird von
einem ausgewogenen Verhältnis der drei
geprägt und Lenken informiert den Pati-
enten klipp, klar und direktiv.
Jeder Kommunikationsstil sendet
eine eigene Botschaft an den Patienten:
•
Folgen
will Informationen gewinnen,
ist unaufdringlich und signalisiert dem
Patienten die Akzeptanz gegenüber
seiner Position. Es herrscht keinerlei
Zwang und der Patient bestimmt das
Tempo. Besonders geeignet ist der Stil
für das Überbringen einer schlechten
Nachricht oder für den Beistand in
Trauer oder Leid.
•
Geleiten
will den Patienten zu dem für
ihn persönlich passendsten Lösungs-
weg verhelfen, es ist unaufdringliche
Lösungshilfe, indem es passende Ent-
scheidungsmöglichkeiten
erarbeitet
und anbietet, vergleichbar mit der Ar-
beit eines Tutors oder Reiseberaters.
•
Lenken
will Sicherheit gewährleisten,
indem klare Ansagen gemacht werden,
was bei einer entsprechenden Erwar-
tungshaltung auf Seiten des Patienten
(und dem Willen sich an den gegebe-
nen Rat zu halten) mitunter der kürzes-
te Weg zum Ziel sein und in Notsituati-
onen das Überleben sichern kann.
Alle drei Stile sind im Alltag wichtig, da sie
es uns ermöglichen, angepasst an die Si-
tuation auf unterschiedliche Art und Wei-
se zu helfen. Ein jeder Stil hat somit seine
Berechtigung in der Patientenversorgung.
Der geleitende Kommunikationsstil
Die motivierende Gesprächsführung ver-
feinert das Konzept des geleitenden Kom-
munikationsstils. Dabei rückt das MI be-
stimmte Punkte außerhalb des Geleitens
in den Fokus:
• MI ist immer
konkret zielorientiert
. Mit
einer bestimmten Verhaltensänderung
im Sinn leitet der Helfer den Patienten
sanft dazu an, darüber nachzudenken,
warum und wie dieses Ziel verfolgt
werden kann.
• MI richtet besonderes Augenmerk auf
die Ausdrucksweise des Patienten und
will
Change Talk
hervorlocken.
• MI beinhaltet den strategischen Ein-
satz
therapeutischer Methoden
, um
zusätzlich auf die Verhaltensänderung
hinzuwirken.
Der Kommunikationsfertigkeits-Mix des
MI nutzt:
•
Zuhören
, um eine Atmosphäre des Re-
spekts und Miteinanders zu schaffen
sowie dem Ratsuchenden zu signali-
sieren, dass zum Erreichen seiner Ziele
ein maßgeschneidertes Hilfsangebot
gemacht werden soll (
RULE
)
•
Fragen
, um herauszufinden, wie die
Gesundheit des Patienten mit seinen
Motiven verknüpft ist und welche The-
rapieoptionen zu ihm passen (
DARN
)
•
Informieren
, um verschiedene Mög-
lichkeiten aufzuzeigen, aus denen der
Patient wählen darf (
Change Talk
)
Die Intention macht den Stil
Fragen, Informieren und Zuhören tauchen
wie bereits erwähnt in den Kommunika-
tionsstilen in unterschiedlicher Gewich-
tung auf. Die zugrundeliegende Intention
prägt die Frage oder Aussage und bewirkt,
dass entweder im Sinne des Folgens, Ge-
leitens oder Lenkens gearbeitet wird:
„Wie oft rauchen Sie?“ (Lenken)
„Welche Art von Veränderung schwebt Ih-
nen vor?“ (Geleiten)
„Was hat Sie dazu gebracht, erneut über
das Aufhören nachzudenken?“ (Folgen)
Ähnlich verhält es sich mit dem
Informieren:
„Am besten Sie machen einen kalten Ent-
zug!“ (Lenken)
„Ein Pflaster entspräche ihrem Wunsch,
die Kippen sofort los zu sein. Wenn Sie
auf ihre Saunagänge nicht verzichten
wollen, böte sich alternativ das Spray an
– was halten Sie von diesen Optionen?“
(Geleiten)
„Sie sind nicht der einzige, dem es schwer
fällt. Einige, die nach so langer Zeit aufge-
hört haben, waren von sich selbst über-
rascht und berichten über eine ganz neue
Lebensqualität.“ (Folgen)
Und selbstverständlich auch mit dem
Zuhören:
„Dass Sie mir das so beschreiben zeigt, Sie
sind bereit für eine weitere Reduktion der
Pflasterstärke.“ (Leiten)
„Sie machen sich Sorgen, dass es zu schnell
gehen könnte? Was würde Ihnen helfen
diese Sorgen zu reduzieren?“ (Geleiten)
„Ich freue mich, dass ihre Familie es so po-
sitiv aufgenommen hat. Was haben Sie
noch gesagt?“ (Folgen)
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/ AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal
MOTIVIERENDE GESPRÄCHSFÜHRUNG