Morgen in der Apotheke – MI in kleinen
Schritten
Jeder kann nur für sich selbst die Frage
beantworten: Wie passt MI zu mir? Wie
kann ich MI für mich und meine Arbeit an-
passen und nutzbar machen? Die Metho-
de sollte sich in meinen persönlichen Stil
und mein Kompetenzregister einreihen
lassen.
Wir haben gezeigt, dass MI aus vielen
kleinen Bausteinen besteht die zusam-
menwirken, wenn sie mit der passenden
Einstellung und Absicht eingesetzt wer-
den. Glücklicherweise lassen sich diese
Haltung und die Bausteine im Apotheken-
alltag jederzeit hervorragend üben.
Wir haben Ihnen einpaar Anregungen,
genannt Mini-MI, zum einfachen Start in
ihren MI-Alltag zusammengestellt.
Rund um das Üben
•
Anfängergeist:
Tun Sie nichts beim
Lernen neuer Dinge, was von Beginn
an nervt. Im Gegenteil: Als „Anfänger-
geist“ bezeichnet man eine unbefan-
gene Freude an Neugier und Entde-
ckung. Lassen Sie sich zudem nicht von
„Expertenwissen“ anderer Menschen
irritieren.
•
Methode des Tages:
einen Aspekt aus-
wählen und ausprobieren: ÜBUNG
→
Variation
→
Verfeinerung
→
selbstlau-
fende Handlungsweise
•
In Ihrer eigenen Geschwindigkeit:
Wird
es doch zu viel? Setzen Sie sich hin und
überlegen Sie, was Sie sich vorgenom-
men haben. Manchmal schreibt man
sich von vornherein zu viel auf die To-
do-Liste. Zerlegen Sie es in kleinere
Schritte.
•
Kraft tanken:
Wenn doch einmal Frust
aufkommt, Pausen einlegen, bevor
man nur noch an die „doofe Methode“
denken kann. Lieber überlegt liegen
lassen und die Energie in einen neuen,
jetzt passenderen Aspekt stecken. Die
im Moment (noch) unpassende Me-
thode kann sich in einigen Monaten in
einem ganz anderen Licht zeigen und
dann zugänglicher sein.
• Dran bleiben: Ganz ohne Aktivierungs-
energie geht nichts, denken Sie in guter
MI-Manier daran, was Sie wirklich wol-
len und geben Sie sich einen ersten An-
schwung anzufangen.
• Analog zum AMTS-Einstieg: Beginnen
Sie mit freundlichen Patienten, sattel-
festen Indikationen und konstruktiven,
offenen Ärzten. Und am besten in gu-
ter Tagesform.
Es geht nicht darum, dass Sie nur wenn Sie
gut drauf sind gute Arbeit machen. So wie
Sie nicht nur an guten Tagen gute Bera-
tung leisten, wird es auch mit der MI sein,
wenn die neuen Fertigkeiten verinnerlicht
sind. Es geht darum, dass Sie im Zuge des
Lernprozesses auch mit sich selbst so
freundlich umgehen wie mit dem Patien-
ten und mit Spaß und Energie neue Wege
erforschen. Das geht nun mal an man-
chen Tagen besser als an anderen.
Was möchte ich heute üben? Konkrete
Übe-Anregungen für die tägliche Praxis,
sortiert nach RULE:
R – Rule Yourself not your client!
Auf den Patienten zugehen und die eige-
ne Haltung dabei betrachten
Überprüfen Sie heute immer wieder, wie
frei, unvoreingenommen und aufnahme-
bereit ihr Geist ist:
• Habe ich aufrichtiges Interesse am Pa-
tienten oder bin ich abgelenkt und mit
anderen Dingen beschäftigt? Vielleicht
entdecken Sie Patienten, die im Medi-
kationsprozess feststecken!
• Fällt mir statt einer geschlossenen
Frage eine offene Frage ein? Der Pati-
ent bekommt die Gelegenheit, Ihnen
Therapierelevantes zu erzählen, das
Sie nicht hätten gezielt erfragen kön-
nen (oder nur mit einem sehr langen
Fragebogen…).
• Sie haben das Ziel für den Patienten klar
vor Augen, aber der Patient will nicht?
Erlauben Sie ihmso zu bleiben, wie er ist
und geben Sie ihm so die Gelegenheit
ohne Druck zu neuen Ufern aufzubre-
chen (paradoxer Veränderungswille).
• Gut gemeinte Ratschläge können von
den Patienten schnell als Vorwürfe
wahrgenommen werden, deshalb fra-
gen Sie sich zuerst, ob Sie schon so
weit sind, mit dem Patienten an einem
Strang zu ziehen – spiegeln Sie und sa-
gen Sie dem Patienten zuerst, was Sie
schon erkannt zu haben glauben.
• Erwischt! Habe ich gerade ein geleiten-
des Angebot gemacht oder in bewähr-
ter Manier zu lenken versucht?
• Reibungslose MI-Gespräche wahrneh-
men und feiern! Die gut geglückten
Momente treten schnell hinter Prob-
lemen zurück, es ist wichtig Ihre gute
Leistung zu würdigen.
• Herzlichen Glückwunsch, Sie sind im
Gespräch!
Situationen erkennen – Was sind
MI-Fälle?
Patienten, die ihre Gesundheit oder ihre
Therapie durch eine Verhaltensänderung
wesentlich positiv beeinflussen könn-
ten, dies aber entweder nicht erkennen,
nicht allein bewerkstelligen können oder
schlicht und ergreifend (noch) nicht wol-
len. Menschen, die aufgrund ihrer Pers-
pektiven und Handlungsweisen hinter
den sicher erreichbaren Möglichkeiten zu-
rückbleiben und daran auch leiden.
Sie können fragen: „Wie zufrieden
sind Sie mit Ihren Tabletten/ihrer The-
rapie?“ Oder der Patient sagt: „Die Tab-
letten helfen gar nicht so wie sie sollen.“
Oder: „Was würden Sie mir raten?“ Oder:
„Ich möchte mit dem Rauchen aufhören!“.
Letzteres sind klare Aufforderungen oder
Absichtserklärungen, hier können Sie
entweder leiten oder wenn es um eine
Verhaltensänderung geht, besser noch
geleiten. Es bietet sich an, nachzuhaken
und mit weiteren Fragen Ihr Interesse zu
zeigen: Woranmerkt der Patient das?Was
würde er gerne tun wollen? Wie und wie
lange wendet er die Medikation an? (
U
n-
derstand,
L
isten)
U – Understand: in den Patienten hinein-
sehen und mitfühlend sein
Die Kommunikationsstile und -fertigkei-
ten nutzen
Da Sie viel mit Patienten im Gespräch
sind, haben Sie wahrscheinlich bereits
ein gewisses Rezept entwickelt (ihren
persönlichen Kommunikationsmix oder
Cocktail) wie Sie im Allgemeinen vorge-
hen. Vielleicht haben Sie sogar für man-
che Kunden ein Spezialrezept. Oder Sie
stellen fest, dass bestimmte Mitarbeiter
AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal /
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CHRISTINE WEBER / CHRISTIAN SCHULZ