Eine Frau betritt eilig den Kranken-
hausflur. Am Mitarbeitertreffpunkt
hält sie inne, ruft der jungen Pfle-
genden, die dort am Computer
sitzt, laut zu: „Nun sagen Sie schon,
wie geht es meiner Mutter?“ Die
junge Frau schreibt konzentriert,
hat einen Stapel Kurven vor sich
liegen. Schweigend nickt sie der
Angehörigen zu. Diese hat die
stumme Begrüßung nicht registriert
und schaut sich suchend um: „Ja,
ist denn hier überhaupt niemand?
Ich werde mich beschweren!“ Und
so hastet sie weiter.
Die ‚Gewaltfreie Kommunikation
(GFK)‘ nach Marshall Rosenberg
möchte sowohl die Wege des Um-
gangs als auch die der verbalen
Kommunikation so verändern, dass
Mitgefühl im Vordergrund steht, da
jeder Mensch die eigenen Gefühle
und Bedürfnisse spüren und äu-
ßern kann. In vier Schritten fordert
Rosenberg auf, sich mit Hilfe der
GFK neu wahrzunehmen und aus-
zudrücken:
1. beobachte statt werte
2. drücke dein Gefühl aus
3. spüre dein Bedürfnis
4. sprich eine Bitte aus
Das geschilderte Beispiel zeigt
deutlich, dass sich die Situation – je
nachdem wie man die Handlungen
der Personen wertet – völlig anders
darstellt. Die Besucherin erblickt die
am Computer schreibende Pfle-
gekraft und wertet eventuell: „Die
tut nix, die spielt rum. Die sitzen
alle immer mehr vor demComputer.
Wer kümmert sich hier eigentlich
um die Menschen?“ Die Pflegekraft
erfüllt ihre Dokumentationspflicht
am Rechner und muss sich bei der
Vielzahl der einzutragenden Werte
stark konzentrieren. Natürlich hat sie
die Frau kommen hören, hektische
Schritte, wie sie wertet. Dafür hat
sie jetzt gar keine Zeit. Ihre Kollegen
sind in den Zimmern mit der Pflege
beschäftigt.
Die GFK würde die Beteiligten auf-
fordern, gut zu unterscheiden: Was
genau beobachte ich vorurteils-
frei und was werte ich direkt? Der
nächste Schritt erfordert viel Praxis:
Wer von uns ist schon in der Lage,
in jeder Situation die eigenen Ge-
fühle zu spüren und in Worten aus-
zudrücken? Der Körper hilft dabei:
Welches Kneifen im Bauch sagt mir,
dass ich mich unwohl fühle, welche
Kurzatmigkeit, dass Überforderung
imRaum steht, welcher Kloß imHals
teilt mir die eigene Traurigkeit mit?
Schritt drei geht noch etwas tiefer
und fragt nach den dahinterste-
henden Bedürfnissen: Ich möchte
wahrgenommen werden, ich möch-
te meine Arbeit gut machen. Dazu
müssen sie als Wunsch formuliert
werden, und zwar als offenes An-
liegen, nicht als Vorwurf, als Unter-
stellung oder gar als Drohung.
Eine Frau betritt eilig den Kranken-
hausflur und spricht die Pflegekraft,
die konzentriert am Rechner ar-
beitet, freundlich an: „Bitte ent-
schuldigen Sie die Störung. Ich bin
Frau... Ich mache mir große Sorgen
um meine Mutter. Können Sie mir
Auskunft geben?“ Worauf die junge
Frau mit einem tröstenden Lächeln
zum Telefon greift und sagt: „Das
habe ich gemerkt. Aber ich glaube,
meine Kollegin kann Sie beruhigen.
Vorhin gab es gute Nachrichten.
Moment...“
Die Sprache des Herzens
Bessere Beziehungen durch ‚Gewaltfreie Kommunikation‘
CellitinnenForum 3/2017
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Medizin | Betreuung