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124

forum

poenale

2/2008

Assessorin iur. Gunhild Godenzi LL.M

.

Ausführungsgesetz zur Umsetzung der Ver­

wahrungsinitiative

Das Parlament hat die Debatte um die Rechtmässigkeit und

Umsetzbarkeit der Verwahrungsinitiative mit der Zustim-

mung zur Ausführungsgesetzgebung beendet.

1

Der von Volk

und Ständen im Februar 2004 gutgeheissene, aber völker-

rechtlich fragwürdige Art. 123a BV

2

wird durch eine ein-

fachgesetzliche Interpretationshilfe ergänzt, welche den Spa-

gat zwischen Volksrecht und Völkerrecht versucht. In den

unlängst revidierten Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches

werden mit den Art. 56 Abs. 4

bis

, 64 Abs. 1

bis

, 64c, 84 Abs.

6

bis

und 90 Abs. 4

ter

StGB Vorschriften integriert, welche die

Voraussetzungen und das Verfahren zur Prüfung der Ent-

lassung aus der lebenslänglichen Verwahrung und die Aus-

gestaltung des Strafvollzugs präzisieren sollen.

3

Das letzte

Wort darüber, ob die gesetzliche Ausgestaltung den völker-

rechtlichen Vorgaben genügt, wird der EGMR sprechen

müssen – falls die schweizerische Praxis auf das Instrument

der lebenslänglichen Verwahrung extrem gefährlicher Straf-

täter überhaupt je zurückgreift.

Rechtsgrundlage für den Führerausweis­

entzug nach Widerhandlung im Ausland

Veranlasst durch einen Grundsatzentscheid des Bundesge-

richts im Juni 2007

4

wird im Strassenverkehrsgesetz eine ge-

setzliche Grundlage für den Entzug des schweizerischen Füh-

rerausweises nach Verkehrsregelverletzungen im Ausland

geschaffen.

5

Der Entwurf des neuen Art. 16c

bis

Abs. 1 SVG

knüpft den

Warnungsentzug

an die kumulativen Vorausset-

zungen, dass im Ausland ein Fahrverbot verfügt wurde und

die Verkehrsregelverletzung nach den Bestimmungen des

SVG als mittelschwere oder schwere Widerhandlung zu qua-

lifizieren ist.

6

Warnungsentzüge wegen Verkehrsregelverlet-

zungen im Ausland können somit nur dann angeordnet wer-

den, wenn die zuständige Behörde im Tatortstaat die

Fahrberechtigung rechtskräftig aberkannt hat und nach

schweizerischem Recht ebenfalls ein Warnungsentzug an-

zuordnen wäre.

7

Zudem werden im Ausland begangene Wi-

derhandlungen, die nach Art. 16a SVG nur leicht sind, von

der Regelung ganz ausgenommen und damit gegenüber der

bisherigen Vollzugspraxis administrativrechtlich privile-

giert.

8

Dem Verbot der Doppelbestrafung wird dadurch

Rechnung getragen, dass nach Art. 16c

bis

Abs. 2 die Aus-

wirkungen des ausländischen Fahrverbots auf die betroffene

Person angemessen zu berücksichtigen sind, weshalb – an-

ders als beim Führerausweisentzug nach Widerhandlungen

in der Schweiz – die Mindestentzugsdauer unterschritten

werden darf. Der

Sicherungsentzug

bleibt von den Neue-

rungen unberührt. Bereits nach geltendem Recht kann die

zuständige Schweizer Behörde bei fehlender Fahreignung

die erforderlichen Administrativmassnahmen treffen, selbst

wenn sich die Zweifel an der Fahreignung auf im Ausland

begangene Widerhandlungen gründen.

9

Umgestaltung der Strafverfolgungszu­

ständigkeit bei Widerhandlungen gegen

das SVAG

Die Zuständigkeit für die Strafverfolgung und Beurteilung

von Widerhandlungen gegen das Schwerverkehrsabgabege-

setz (SVAG) wird mit Inkrafttreten des «Bundesgesetzes

über Massnahmen zur Verbesserung der Verfahren im Be-

reich der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe» ge-

nerell der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) übertra-

gen.

10

Hinfällig ist damit die für praktisch untauglich

befundene Zuständigkeitsspaltung, welche bei inländischen

Fahrzeugen die Kantone und bei ausländischen Fahrzeugen

die EZV mit der Strafverfolgung betraute.

11

Eine ausnahms-

weise Zuständigkeit der Kantone bleibt einzig für die Fälle

vorbehalten, in denen über Art. 20 Abs. 1 SVAG die Arti-

kel 14–16 des VStrR zur Anwendung gelangen und eine

Gesetzgebung | Legislation | Legislazione

1

http://www.parlament.ch/cv-geschaefte?gesch_id=20050081.

2

Angenommen in der Volksabstimmung vom 8.2.2004; AS 2004,

2341; BBl 2000, 3336; 2001, 3433; 2003, 4434; 2004, 2199.

3

Vgl. Schweizerisches Strafgesetzbuch (Lebenslängliche Verwahrung

extrem gefährlicher Straftäter), Änderung vom 21.12.2007, BBl

2008, 23; Botschaft des Bundesrates v. 23.11.05, BBl 2006, 889;

Zusammenfassung von Botschaft, Bericht und Beratungen, http://

www.parlament.ch/afs/data/d/rb/d_rb_20050081.htm;

Schlussab-

stimmungen AB 2007, N 2077; AB 2007, S 1212; vgl. ausserdem

Art. 380a nStGB zur Haftungsverteilung für Straftaten des Entlas-

senen bei Aufhebung der lebenslänglichen Verwahrung.

4

BGE 133 II 331 und dazu Schaffhauser, Der Warnungsentzug

des Führerausweises nach Auslandtaten verschwindet… und er-

scheint gleich wieder, FP 2008, 55 ff.

5

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 28.9.2007 zur Änderung des

Strassenverkehrsgesetzes (Führerausweisentzug nach Widerhand-

lung im Ausland), BBl 2007, 7617; vgl. zu den Beratungen im

Parlament

http://www.parlament.ch/D/Suche/Seiten/geschaefte.

aspx?gesch_id=20070079.

6

Entwurf zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes, BBl 2007,

7625.

7

So auch bereits BGE 128 II 133, 136 ff.

8

Botschaft, BBl 2007, 7622.

9

BGE 133 II 331, 351 ff.; Botschaft, BBl 2007, 7623.

10

Art. 22 nSVAG, vgl. Bundesgesetz über Massnahmen zur Verbesse-

rung der Verfahren im Bereich der leistungsabhängigen Schwerver-

kehrsabgabe, BBl 2007, 7173, die Änderungen treten am 1.4.2008

in Kraft,

http://news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-

id=17693.

11

Vgl. bisherigen Art. 22 SVAG.