Sind im Seniorenhaus
nur Senioren?
Engagierte Betreuung und Reha schafft Lebensqualität
In der Regel leben in einem Se-
niorenhaus eher Menschen, die
die Sechzig weit überschritten
haben. Ausnahmen bestätigen die
Regel. So fand Anja S., 39 Jahre
alt, nach einer schweren Erkran-
kung den Weg ins Seniorenhaus
Marienkloster in Düren-Niederau.
Ein geplatztes Aneurysma hatte es
erfordert, ihr die Schädeldecke zu
öffnen, um den Hirndruck zu ent-
lasten. Mobilität und Sprachfähig-
keit waren lahmgelegt. Mit offener
Schädeldecke dämmernd, infiziert
mit einem Keim und beatmet durch
einen Luftröhrenschnitt, lag die jun-
ge Frau monatelang in einer Duis-
burger Klinik.
Währenddessen suchte Ehemann
Marc verzweifelt nach einem Platz,
wo seine schwerkranke Frau imDü-
rener Raum Pflege, Versorgung und
neurologische Reha bekommen
könnte – und fand ihn nicht. Bis
er im Dürener Marienkloster anrief.
Das ganze Team beschäftigte sich
eingehend mit dem Krankheits-
zustand der jungen Frau. Auch die
Familie sollte einbezogen werden,
Marc und Anja haben zwei Kinder,
die die schwer erkrankte Mutter
seit dem Unfall noch nicht gesehen
hatten.
Der pflegerische Umgang mit der
offenen Schädeldecke, vor dem die
meisten Häuser zurückgeschreckt
waren, erwies sich nach Anjas
Einzug in das Marienkloster als
das kleinste Problem. Ein schicke
Wollmütze auf dem Kopf gab allen
um Anja herum einen Hauch von
Normalität. Auch der Keim konnte
beseitigt werden. Je mehr sich die
junge Frau mit Ruhe einlebte, umso
sichtbarer lebte sie auf und nahm
mit aufmerksamem Blick am Le-
ben teil. Täglich wurde ihr Zimmer
bunter und persönlicher gestaltet,
sodass sie immer etwas Vertrautes
zu sehen bekam.
Erfahrungen sammeln
Regelmäßig traf sich das Team
mit Mitarbeiterseelsorgerin Maria
Adams und Wohnbereichsleitung
Yvonne Eibl, um Erfahrungen aus-
zutauschen und eigene Unsicher-
heiten und Fragen zu benennen:
„Wie spreche ich mit ihr, wenn sie
doch nicht antworten kann?“ „Das
Ganze macht mich auch traurig, sie
ist noch so jung.“ „Wie können wir
herausfinden, was sie wirklich will?“
„Wie kriegen wir das Zähneputzen
hin, ohne ihre Atmung zu gefähr-
den?“ Auch Ehemann Marc nahm
am Austausch teil: „Irgendwie sind
alle hier im Marienkloster wie die
erweiterte Familie, sehr nah und
trotzdem sehr kompetent“, lobt er.
In den Sommerferien brauchten
Ehemann und Kinder mal zwei
Wochen Abstand. Die Runde be-
schloss, dass Anja S. über Handy
und Whatsapp mit ihren Lieben
in Verbindung bleiben sollte – mit
den Pflegenden und Betreuungs-
kräften als Helfer, die ihr Texte und
Fotos zugänglich machten und für
sie antworteten. Die Familie war
begeistert.
Nicht lange nach dem Einzug war
zu spüren: Anja S. will mehr! So
plante das Team in Zusammen-
arbeit mit Ergo- und Physiothera-
peuten Mobilitätsübungen, die die
junge Bewohnerin den ganzen Tag
über beschäftigen und das Gehirn
anregen sollten. Selbst ihr Frausein
bekam einen Stellenwert, den das
Teammit Maniküre und Schminken
unterstützt, so wie sie es vor dem
Unfall gewohnt war. Ihre Literatur-
vorlieben wurden abgefragt, so-
dass die Betreuungskräfte in der
Auswahl der Bücher zum Vorlesen
genau den Geschmack der jungen
Frau trafen.
Selbst die Mitbewohner auf dem
Flur schauten oft bei der ‚netten
jungen Dame‘ vorbei. Die junge
Familie war Teil des Wohnbereichs.
Die Mitarbeiter haben einen enor-
men Zuwachs an Kompetenz und
Sicherheit erfahren, weil sie den
Mut hatten, diese ungewöhnliche
Bewohnerin aufzunehmen.
CellitinnenForum 1/2017
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