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Ein Albtraum: Man steht mitten im

Leben, sitzt nichtsahnend im Auto

oder zu Hause, und da passiert es:

Von jetzt auf gleich stellt ein Schlag-

anfall das komplette Leben auf den

Kopf. So erging es Anna Gottschalk

und Marianne Keip, beide Jahr-

gang 1928. Monate verbrachten

die Seniorinnen auf Intensivstatio-

nen. Schritt für Schritt kämpften

sie sich zurück ins Leben, mussten

alltägliche Handgriffe erst wieder

lernen und durchliefen dafür viele

Rehabilitationsprogramme.

Nach monatelangen Klinikaufent-

halten ging es gesundheitlich berg-

auf – doch was nun? So fit, dass an

eine Rückkehr in die eigene Woh-

nung zu denken gewesen wäre,

waren beide Seniorinnen nicht. Und

auch die Angehörigen konnten sich

bei allem guten Willen nicht rund

um die Uhr kümmern. Ein Umzug

in eine Pflegeeinrichtung war die

einzig mögliche Lösung. Beide ka-

men im Wohnbereich des Senio-

renhauses St. Angela unter. „Ich

war 2009 eine der ersten Bewoh-

nerinnen“, verkündet Gottschalk

stolz.

Fünf Jahre wohnte sie dort. Als es

Gottschalk besser ging, packte

sie in der Küche tatkräftig mit an.

Schließlich konnte sogar an einen

Umzug ins Servicewohnen gedacht

werden. Die Aussicht, wieder selbst-

bestimmt zu wohnen, gab den Aus-

schlag. „Wieder mehr Ruhe“, war

für Keip der entscheidende Punkt,

aus dem Wohnbereich ins Service-

wohnen zu wechseln. Seit zwei

Jahren lebt sie in St. Angela, seit

einigen Monaten in einem eigenen

Appartement. Während der Pflege-

dienst Gottschalk noch dreimal die

Woche zur Hand geht, kommt Keip

ohne diese Leistung aus.

Beide Seniorinnen nehmen regel-

mäßig das Mahlzeitenangebot in

Anspruch. „Gekocht haben wir ja

nun beide in unserem Leben ge-

nug“, meinen sie und lachen. Gott-

schalk musste sich zuerst wieder an

die Ruhe im Servicewohnen gewöh-

nen – ein Umstand, den die etwas

ruhigere Keip sehr genießt. Rätsel-

und Zeitungsrunden, gemeinsames

Singen und Musizieren, Gymnastik

im Programm ‚fit für 100‘, vom Se-

niorenhaus organisierte Ausflüge

und Kartenspielnachmittage – lang-

weilig muss es auch im Servicewoh-

nen niemandem werden.

Es hat auch Vorteile, nicht mehr für

alles, nur noch für sich selbst ver-

antwortlich zu sein. Auf die große

Wohnung, die Möbel, das Autofah-

ren können sie gut verzichten. „Ich

hätte nicht gedacht, dass ich so gut

loslassen kann“, wundert sich Keip

und Gottschalk fügt hinzu: „1954

habe ich mit meinemMann in einem

Zimmer angefangen, ein Leben auf-

zubauen. Jetzt bin ich wieder auf

ein Zimmer zurückgegangen, aber

das ist in meiner Lebensphase auch

in Ordnung.“ Die Seniorinnen sind

froh, trotz gesundheitlicher Ein-

schränkungen wieder so rüstig zu

sein. Wenn auch nicht im Großen,

so gibt es doch im Kleinen auch

im Alter Wege zurück: Pflege muss

keine Einbahnstraße sein.

Pflege ist keine Einbahnstraße

Auch im Alter kann sich der Gesundheitszustand wieder bessern

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CellitinnenForum 3/2019