Das Buch Ijob, 1,6 – 1,12
Nun geschah es eines Tages, da kamen die Gottes-
söhne, um vor den HERRN hinzutreten; unter ihnen
kam auch der Satan. Der HERR sprach zum Satan:
Woher kommst du? Der Satan antwortete demHERRN
und sprach: Die Erde habe ich durchstreift, hin und
her. Der HERR sprach zum Satan: Hast du auf meinen
Knecht Ijob geachtet? Seinesgleichen gibt es nicht
auf der Erde: ein Mann untadelig und rechtschaffen,
er fürchtet Gott und meidet das Böse. Der Satan ant-
wortete dem HERRN und sagte: Geschieht es ohne
Grund, dass Ijob Gott fürchtet? Bist du es nicht, der
ihn, sein Haus und all das Seine ringsum beschützt?
Das Tun seiner Hände hast du gesegnet; sein Besitz
hat sich weit ausgebreitet im Land. Aber streck nur
deine Hand gegen ihn aus und rühr an all das, was
sein ist; wahrhaftig, er wird dich ins Angesicht segnen.
Der HERR sprach zum Satan: Gut, all sein Besitz ist in
deiner Hand, nur gegen ihn selbst streck deine Hand
nicht aus! Darauf ging der Satan weg vom Angesicht
des HERRN.
Wort und Mensch
Der Schmerz in der Erfahrung Hiobs
Es gibt nicht viele Geschichten,
in denen die Lebensgeschichte
eines Menschen so dicht mit sei-
ner Schmerzerfahrung gekoppelt
ist, wie die des Hiob aus dem
fünften Jahrhundert vor Christus.
Er ist die biblische Grundlage, um
Jesus Christus später als ‚Schmer-
zensmann‘ zu charakterisieren,
als den, der Unsägliches erleidet
und dennoch nicht verzweifelt an
seinem Gott. Die Hiob-Geschich-
te behandelt eine Grundfrage der
Menschheit: Tut Gott den Guten nur
Gutes und den Bösen geschieht
Schmerz? Wird Moral mit Strafe
verknüpft und kann ich vor Leiden
sicher sein, wenn ich alles tue,
was die Religion erwartet? Auch
die große Frage nach Gerechtigkeit
ist damit verknüpft, in einem Wort
gesagt: Warum ich? Warum jetzt?
Warum überhaupt?
Hiob ist kein Israelit. Er kommt aus
dem Land Uz, das man östlich des
Jordantals oder im Zweistromland
vermutet. Hiob ist geschäftlich und
sozial sehr erfolgreich, ein glück-
licher Ehemann und vielfacher Fa-
milienvater. Alles ist gut, könnte
man über Hiob schreiben, selbst
seine Beziehung zu Gott, dem er
fleißig Brandopfer bringt und dem
gegenüber er sein Haus kultisch
rein hält. Doch dann ereilen ihn die
Schicksalsschläge. Alles war gut –
vorher. Das trifft den Nerv vieler,
die Schmerz erfahren: Es gab ein
Davor. Und jetzt ist Danach.
Die Wette
Vor der schönen Kulisse von Hiobs
Leben setzen sich – im vorchrist-
lichen Denken – gewaltige Mächte
auseinander. Gott und Satan strei-
ten sich um die Vorherrschaft in
der Welt. „Warum sind Menschen
wie Hiob gut?“, stichelt der Teufel,
„Doch nur, weil du, Gott, ihnen alles
gibst. Nimmst du es ihnen, werden
sie wie ich, böse und ungerecht.“
Der gute Gott schlägt in die Wette
ein. Stück für Stück soll Hiob alles
genommen werden. Man wird ja
sehen, was das Danach mit Hiob
macht.
Wer Schmerz aushalten muss, er-
lebt sich wie die Hauptperson in
solch einem kosmischen Würfel-
spiel. Dass ich so leide, muss einen
Grund haben: Wer will, dass ich
solche Schmerzen habe? Nicht um-
sonst wurden in Pestzeiten Krank-
heiten als göttliche Bestrafungsak-
tionen gesehen. Viele Menschen
leben bis heute mit dem Dilemma,
dass sie sozial handeln, aufmerk-
sam, liebevoll leben und nachhaltig
mit der Schöpfung umgehen, und
dennoch Schmerz in Krankheit und
Schicksalsschlägen ertragen.
Was tun? Reden hilft? Wie lange?
Einen großen Teil des Hiobbuches
nehmen Reden ein. Die Freunde
Hiobs versuchen, ihm Gottes Han-
deln in der Welt zu erklären, denn in
ihrer Weltsicht ist Hiob selbst schuld
Glauben | Leben
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CellitinnenForum 1/2019