an seinem Leiden. Da es ihm
schlecht geht, da er Schmerz
spürt, muss er irgendwo an-
ders Schmerz zugefügt haben,
ungerecht gewesen sein, un-
gläubig und schwach. Von daher
rühren manche Weisheiten, die
sich bis in unsere Zeiten gerettet
haben: „Jeder ist seines Glückes
Schmied“ oder „Auge um Auge,
Zahn um Zahn“. Denn Gott kann
in den Augen der Freunde nicht
falsch handeln. Also muss Hiob
seinen Schmerz selbst verur-
sacht haben. Dieses Schwarz/
Weiß-Denken ist tief in den
Menschen verwurzelt. Es fußt
auf der Erwartung, in der Welt
ginge es gerecht zu, da wäre
jemand, der kosmisch imHin-
tergrund dafür sorgt, dass
das auch eingehalten wird.
Auseinandersetzung
mit Gott
Die Erfahrung
zeigt: Die Welt
ist nicht gerecht,
sie ist, wie sie
ist, ein Neben-
und manchmal
ein Miteinander ver-
schiedenster, teils wi-
dersprüchlicher Inter-
essen. Darüber setzt sich
Hiob mit Gott auseinander.
So wie es viele Menschen
tun, die in Schmerz, Verlust und
Krankheit engagiert, zornig
und leidenschaftlich mit
Gott streiten.
Nach und
nach be-
freien sie
sich von
dem ‚Mama-Papa-Schema‘ und
erkennen, dass da oben eben nicht
einer für alles sorgt, sondern ER die
Welt in die Freiheit der Eigenverant-
wortung entlassen hat. Jeder von
uns, so lernt Hiob, ist verantwortlich
für sein Tun undWohlsein hat nichts
mit Moral zu tun, sondern ist eine
Frucht des Vertrauens, dass jeder
in dieser Welt von Gott geliebt ist.
Diese Liebe wird nicht widerrufen
und auch in einer unheilen Welt hält
Gott es mit uns aus. Und teilt alles
mit uns: den Zorn, die Ungerech-
tigkeit, den Schmerz und die Hoff-
nung. Weil Hiob das begreifen und
verschmerzen kann, wird er heil an
Leib und Seele.
Der Schlussteil des Hiob-Buches
zeigt den Protagonisten als einen
völlig veränderten Menschen. Der
Weg durch seinen Schmerz, seine
Verluste, die Kraft im Streiten und
Zweifeln hat ihn letztlich stärker
gemacht. Was er vorher besaß,
verdoppelt sich. Er gewinnt neue
Wertmaßstäbe für das Leben, wenn
er die Schönheit seiner Töchter er-
kennt und ihnen das gleiche Erbteil
gibt wie den Söhnen. Er sorgt im
Angesicht Gottes für die Gerechtig-
keit auf Erden. Der Schmerz hat ihn
dazu befähigt.
Alles ist gut
Wenn das Notwendige getan und
das Überflüssige verworfen, wenn
das Zuviel verschenkt und das
Zuwenig verschmerzt ist, wenn
alle Irrtümer aufgebraucht sind,
kann das Fest des Lebens be-
ginnen.
(Wolfgang Poeplau)
Hiob-Skulptur auf dem Frankfurter Hauptfriedhof
Glauben | Leben
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CellitinnenForum 1/2019