„Da ließ Gott, der Herr, einen tiefen
Schlaf auf den Menschen fallen, so-
dass er einschlief, nahm eine seiner
Rippen und verschloss ihre Stelle
mit Fleisch.“ (Genesis, 2,21 f.) Die
Operation an Adam sollte bis 1842
hinein der letzte schmerzfreie Ein-
griff in einen menschlichen Körper
sein. Nach der Vertreibung aus dem
Paradies unterwarfen sich die Men-
schen nur im absoluten Notfall dem
Messer der Bader und Chirurgen.
Zu grausamwaren die Schmerzen,
zu ungewiss die Überlebenschan-
ce. Zwar kannten unsere Vorfahren
einige Methoden zur Ausschaltung
des Schmerzes wie die Kompres-
sion der Blutgefäße am Hals oder
einen gründlichen Aderlass – bei-
des wurde bis zur Bewusstlosigkeit
des Patienten ausgeführt, bevor der
Chirurg seine blutige Arbeit auf-
nahm. Lokale Anwendung fanden
die Aderpresse, mit deren Hilfe der
Blutfluss gestaut und die Nerven
abgebunden wurden, oder Eis,
dessen schmerzlindernde Wirkung
in der Chirurgie ebenfalls von Nut-
zen war. Und auch die Wirkung des
Schlafmohns oder anderer pflanz-
licher Substanzen war seit der
Steinzeit bekannt. Doch ob Zähne
gezogen oder Gliedmaßen ampu-
tiert wurden: In der Regel mussten
einige kräftige Männer den Kranken
festhalten oder er wurde auf einem
Stuhl oder Tisch festgebunden, da-
mit der Operateur sein Handwerk
möglichst schnell erledigen konnte.
Nach dem Eingriff war die Tortur
noch nicht vorbei. Dann nämlich
drohten schlimme Wundschmer-
zen, weiterer Blutverlust und In-
fektionen, hervorgerufen durch
mangelnde Hygiene. Fast glücklich
konnten sich im Mittelalter unter
den gegebenen Umständen dieje-
nigen schätzen, die nicht an einen
Quacksalber gerieten, sondern sich
in klösterlichen Hospitälern fach-
kundig behandeln lassen und mit
schmerzstillenden pflanzlichen Heil-
mitteln versorgen konnten. 90 Pro-
zent der Operierten überlebten die
Eingriffe übrigens nicht. Ob man die
Schuld an den Schmerzen höheren
Mächten in die Schuhe schob, ihren
Grund in einem disharmonischen
Verhältnis der Körpersäfte sah, sie
als Quittung für die Erbsünde inter-
pretierte oder sie, wie schließlich
René Descartes, weltlich-analytisch
als eine Abfolge von Reaktionen im
Körper erklärte – bis ins 19. Jahr-
hundert hinein waren die Menschen
den Schmerzen oft hilflos ausgelie-
fert, besonders wenn Skalpell und
Säge im Spiel waren.
Äther zieht in
die Operationssäle ein
Am 30. März 1842 führte der Arzt
Crawford Williamson Long in den
USA die erste Operation mit Äther-
narkose durch. Das Zeitalter der
Anästhesie begann schließlich
1846, als in Boston ein Zahnarzt
renommierte Chirurgen zu einer
öffentlichen Demonstration die-
ser Narkosepraxis einlud und die
Methode so einer breiteren Öf-
fentlichkeit bekannt machte. Die
segensreiche Wirkung des Äthers
verbreitete sich wie ein Lauffeuer
und wurde schnell auch in Euro-
pa angewandt. Doch bald schon
trübten erste Todesfälle während
der Operation die Freude über
den Fortschritt. Einige Patienten
erstickten an ihrem Erbrochenen,
an Speichel in der Luftröhre, oder
weil sich die Zunge vor die Luftröhre
Sanft wegschlummern
Das 19. Jahrhundert revolutionierte die Narkose- und Schmerzbehandlung
Titel | Thema
6
CellitinnenForum 1/2019