gelegt hatte. In den 1940er Jahren
starben noch 64 von 100.000 Pa-
tienten an der Narkose. Erst als es
nach dem Krieg allgemeine Praxis
wurde, mit einem Schlauch (Tubus)
die Luftröhre und damit die Atem-
wege freizuhalten, besserten sich
die Aussichten für die Patienten.
Während die modernen Narkose-
verfahren entdeckt und verfeinert
wurden, entwickelten Pharmakolo-
gen Mittel, die die Behandlung des
Schmerzes generell revolutionieren
sollten: 1804 isolierte der Apothe-
ker Friedrich Sertüner aus Opium
das Morphin. Das Haushalts- und
Allheilmittel Aspirin synthetisierten
Chemiker der Wuppertaler Bay-
er-Werke 1897.
Ab den 1960er Jahren entwickelte
die Pharmaindustrie Narkosemit-
tel, die schneller wirkten, besser zu
handhaben waren und den Äther
vom Markt verdrängten. Heute
steht den Ärzten eine Palette von
Narkosemitteln zur Verfügung, die
in Kombination mit anderen Prä-
paraten folgende Eigenschaften
besitzen: Sie hindern die Nerven-
zellen daran, Informationen aus-
zutauschen und hebeln so den
Schmerz aus. Außerdem setzen
sie die Abwehrreflexe außer Kraft,
sorgen für eine Muskelentspan-
nung und, sofern es sich um eine
Vollnarkose handelt, schalten sie
das Bewusstsein und damit das
Erinnerungsvermögen aus. Spe-
zielle Fachärzte, die Anästhesisten,
leiten die Narkose ein und sorgen
dafür, dass es unter der Opera-
tion nicht zu Komplikationen mit
den Narkosemitteln kommt. Unter-
stützt werden sie von der moder-
nen Apparatemedizin. Die Geräte
zeigen die Vitalparameter ständig
an, sodass auf Unregelmäßigkeiten
sofort reagiert wird. Für noch mehr
Sicherheit sorgen die Gespräche
zwischen Anästhesist und Patient
im Vorfeld der Operation, in dem
mögliche Risiken wie besondere
Krankheiten, Bluthochdruck, Dro-
gen-, Nikotin- und Alkoholmiss-
brauch abgefragt werden.
Anästhesie und
Schmerztherapie heute
Ab den fünfziger Jahren nahm die
Entwicklung der Anästhesie Fahrt
auf. 1953 wurde die Deutsche Ge-
sellschaft für Anästhesiologie und
Intensivmedizin (DGAI) gegründet,
im selben Jahr beendete der erste
Facharzt für Anästhesie seine Wei-
terbildung. Seither hat sich nicht
nur in der Narkosemittelforschung
viel getan. In jüngster Zeit rückt die
allgemeine Schmerztherapie in den
Fokus; sowohl die Schmerzvor- als
auch die -nachsorge bei einer Ope-
ration sowie die Schmerztherapie
als eigenständige Disziplin. Obwohl
dank Forschung und Pharmakolo-
gie in den letzten 150 Jahren große
Fortschritte erzielt wurden – in 0,7
Fällen sind heute laut DGAI schwe-
re Komplikationen bis hin zum Tod
während einer Operation auf die
Narkose zurückzuführen – wird
weiter nach verträglicheren Narko-
semitteln sowie Arzneien und The-
rapien zur Schmerzbekämpfung
geforscht. Denn noch ist die imBos-
toner Äther-Denkmal eingravierte
Forderung „Es darf keine Schmer-
zen mehr geben“ nicht in Gänze
erfüllt. Wobei unseren Vorfahren der
heutige Zustand sicherlich geradezu
paradiesisch vorgekommen wäre.
… und im 21. Jahrhundert
Operieren im 16. Jahrhundert …
… am Beginn des 20. Jahrhundert …
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CellitinnenForum 1/2019