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Raus aus dem Hörsaal und hinein

in einen der schwierigsten Bereiche

der Seelsorge – diese Chance er-

halten pro Jahr acht evangelische

Theologie-Studenten der Kirchli-

chen Hochschule in Wuppertal.

Unter der Leitung von Pfarrerin

Michaela Kuhlendahl erfahren die

jungen Menschen beispielsweise

im Petrus-Krankenhaus imRahmen

einer sogenannten ‚Wissenschaftli-

chen Übung‘ hautnah, was es heißt,

als Krankenhausseelsorger für die

Nöte von Patienten, Angehörigen

und Klinikmitarbeitern da zu sein.

Bevor die Studenten sich auf-

machen und das Gespräch mit

den Patienten suchen, bespre-

chen Kuhlendahl und ihre Seel-

sorge-Kollegen mit den 18- bis

24-Jährigen, was Seelsorge im

Krankenhaus bedeutet und was

sie leisten kann. Sie gehen dabei

auch auf Ängste und die bisherigen

Lebenserfahrungen der Studenten

ein und erstellen einen Gesprächs-

leitfaden. „Wie begegnet man ver-

wirrten Menschen? Wie organisiere

ich ein Seelsorgegespräch auf dem

Flur? Was ist zu tun, wenn sich

der Bettnachbar immer ins Ge-

spräch einmischt? Wie beende

ich ein Gespräch, wenn jemand

einen nicht gehen lassen möchte?

Wie gehe ich mit Ablehnung um?

„Auf solch typische Situationen

bereiten wir die Praktikanten vor“,

erklärt Kuhlendahl. Alle Gespräche

mit den Patienten werden von den

Studenten in Gedächtnisprotokol-

len aufgezeichnet und unter An-

leitung der erfahrenen Kranken-

hausseelsorger ausgewertet. So

reflektieren die Seminaristen, wie

sie mit Stille, Tränen und anderen

schwierigen Situationen umgehen.

Auch stellt sich immer wieder die

Frage, wie das Bedürfnis eines

Patienten nach einem Gebet oder

einem anderen Ritual wahrgenom-

men und erfüllt werden kann, ohne

dass dies aufdringlich oder künst-

lich wirkt.

Welche Erfahrungen nehmen die

Studenten nach den acht Wochen

Krankenhausseelsorge mit in ihre

Hörsäle? „Immer wieder aufs Neue

lässt man sich auf das Unerwartete

und Fremde ein. Ich habe in den

Gesprächen auch viel über mich

selbst gelernt“, so Lynn Kristin

Schröter, die die Übung im vierten

Semester absolvierte.

Der Einsatz der Studenten ist auch

für die ‚alten Hasen‘ wie Kuhlendahl

erfrischend. „Mit ihrem unverstell-

ten, neugierigen Blick erweitern die

Studenten unsere Sicht auf schein-

bar Alltägliches und Vertrautes. Das

zwingt uns dazu, unsere Seelsor-

gepraxis zu überdenken und unsere

Wahrnehmung für Patienten und

ihre Themen immer wieder neu zu

sensibilisieren. Darüber hinaus tut

es uns einfach unglaublich gut, mit

den jungen Leuten zu arbeiten, weil

sie so motiviert und offen sind“,

erläutert sie.

Und es gibt noch einen Grund,

warum der Wuppertaler Seelsor-

gerin das Projekt mit den Studen-

ten so am Herzen liegt. „In einer

weitgehend säkularisierten Gesell-

schaft haben die Kirchen in den

Krankenhäusern die Gelegenheit,

Menschen zu begegnen, die nor-

malerweise nicht im kirchlichen

Kontext vorkommen. Wir gehen

auf die Menschen zu und sie erle-

ben oft ein zeitgemäßeres Bild von

Kirche, als das, an welches sie sich

aus ihrer Jugendzeit erinnern. Es

ist eine Chance sich als ‚Kirche in

der Welt‘ zu zeigen. Wir kommen

mit Menschen aller Konfessionen

und Religionen ins Gespräch und

sie machen durch Seelsorge die

Erfahrung, dass Kirche für sie da ist.

Die Studenten erleben dies hautnah

mit und es bleibt zu hoffen, dass

der ein oder andere auch nach dem

Examen sein Herz für die Kranken-

haus-Seelsorge bewahrt.“

Vom Hörsaal ans Krankenbett

Ein Praktikum in der Krankenhausseelsorge

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CellitinnenForum 4/2015

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