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Novizinnen Montferrand, um einer

drohenden Internierung zu ent-

gehen. Ihr Weg führte über Belgien,

wo sich weitere neun Ordensfrauen

aus dem gleichen Grund zugesell-

ten, in das niederländische Venlo.

Dort besaß die Gemeinschaft ein

Grundstück mit einem Haus. Am

14. September 1914 zogen 22

Schwestern in das ‚Kleine Häus-

chen‘ genannte Gebäude, das

bezeichnender Weise beengt und

in einem schlechten baulichen Zu-

stand war. Einige der Ordensfrauen

erkrankten und starben an Tuber-

kulose. Mit Unterstützung des Bi-

schofs von Roermond und anderen

Ordensgemeinschaften bewältigten

die Schwestern diesen schweren

Anfang. Bereits 1915 wurde mit

dem Bau eines neuen Klosters be-

gonnen und bald die eigenständige,

von Montferrand getrennte, Kon-

gregation der Dominikanerinnen

von Bethanien von Venlo gegründet.

1939 gehörten ihr bereits über 100

Profess- und 50 Schwestern in der

Ordensausbildung an. Erste Filialen

entstanden, so beispielsweise 1934

in Stevensbeek bei Venlo. Dort wur-

den Frauen aufgenommen, die mit

Bewährungsauflagen aus der Haft

entlassen waren.

Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges

zerstörten Bomben das Mutter-

haus in Venlo. Aber die Schwes-

tern kamen zurück und noch 1945

entwickelte sich ein neues Auf-

gabenfeld. Ausgangspunkt waren

in einem Lager internierte nieder-

ländische Kinder, deren Eltern als

Nazikollaborateure zu Haftstrafen

verurteilt waren, und Waisen, die

vom Rückzug der Schwestern aus

einem Waisenhaus in Breda be-

troffen waren. Die Idee der Kinder-

dörfer entstand und wurde in Horn

bei Roermond erstmals umgesetzt.

Bethanien-Kinderdörfer

Das lang ersehnte Ausgreifen nach

Deutschland ließ sich dann mit

dieser Ausrichtung zum Jahres-

wechsel 1951/1952 verwirklichen.

In Waldniel, etwa 25 Kilometer

von Venlo entfernt, erwarben die

Dominikanerinnen ein ehemaliges

Rittergut. Zunächst entstand ein

Heim für Mädchen, dann wurden

in der weiträumigen Parkanlage

die ersten Häuser für ein Kinder-

dorf gebaut. Nach diesem Konzept

betreute eine ‚Gruppenschwester‘

mit einer Unterstützungskraft etwa

15 Kinder in einer nach Alter und

Geschlecht gemischten Familien-

gruppe. Weitere Bethanien-Kin-

derdörfer in Deutschland wurden

gegründet: 1960 ‚Marienhöhe‘ in

Eltville-Erbach im Rheingau, dann

‚St. Joseph‘ in Dahlheim-Rödgen

bei Wegberg und ein weiteres in

Bergisch Gladbach-Refrath. Rück-

läufige Schwesternzahlen führten

dazu, dass Häuser geschlossen

und im Jahr 2001 dann auch die

deutschen Kinderdörfer in eine

gGmbH überführt werden mussten.

Inzwischen hat sich das Leben in

den Einrichtungen sehr verändert.

Heute leben fünf bis neun Kinder

in einer Familie und werden von

deutlich mehr Mitarbeitern betreut,

wobei nicht mehr so viele Schwes-

tern mitarbeiten und sich auch die

Gruppenstrukturen geändert ha-

ben, beispielsweise gibt es jetzt

Tages- und Jugendwohngruppen.

In der ersten Hälfte der 1960er

Jahre zählten die Dominikanerinnen

von Bethanien von Venlo weltweit

an die 600 Schwestern, davon etwa

100 in Deutschland. Neben denen

in Deutschland und den Niederlan-

den wurden auch Niederlassungen

in Belgien, Italien, USA, Kanada und

auf der Insel Aruba in der Karibik er-

richtet. Seit den 1970er Jahren gibt

es eine Reihe kleinere Konvente

in Deutschland mit unterschied-

lichen Aufgaben und pastoralen

Schwerpunkten, ein Apostolat der

Zuwendung, der geistlichen und

praktischen Hilfe durch Rat und Tat.

2013 haben die Dominikanerin-

nen eine Niederlassung für ältere

Schwestern in den Hausgemein-

schaften St. Elisabeth in Mecken-

heim begründet. Als „unsere erste

Aufgabe“ sehen die Schwestern

„das Gemeinschaftsleben. Darum

sind wir ja in den Orden eingetreten:

Um einander Schwestern zu wer-

den und miteinander zu entdecken,

wer Gott für uns ist und wohin er

uns sendet.“ Den Dominikanerin-

nen ist wichtig, alle weiteren Auf-

gaben in einer Haltung zu tun, die

sie umschreiben mit „in Schuld eine

Chance erkennen, niemanden auf-

geben, verlässliche Beziehungen

aufbauen, Ohnmacht solidarisch

aushalten und auch unkonventio-

nelle Wege gehen.“

Sr. Henri-Dominique

Berthier

CellitinnenForum 4/2015

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