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Laura M. wird mit 35 Kilogramm

Körpergewicht ins St. Vinzenz-

Hospital eingewiesen. Die 24-Jäh-

rige leidet an Magersucht. Eine

Zwangsernährung lehnt sie ab.

Jonas L., 45, wird schwer verletzt

nach einem Unfall ins Wuppertaler

Petrus-Krankenhaus eingeliefert. Er

muss operiert werden und benötigt

eine Bluttransfusion. Aus religiösen

Gründen lehnen seine Angehörigen

diese ab. Im Seniorenhaus Burg

Ranzow in Kleve liegt die 89-jäh-

rige Helga S. im Sterben. Wasser

in der Lunge setzt ihr arg zu. In

einer Patientenverfügung hat sie

lebensverlängernde Maßnahmen

abgelehnt, ohne über die Möglich-

keiten einer palliativen Begleitung

informiert zu sein.

Wie weit geht die Patientenautono-

mie? Was ist zu tun, wenn der Pa-

tient sich nicht mehr selbst äußern

kann? Täglich werden Mitarbeiter in

Kranken- und Seniorenhäusern mit

dieser Frage konfrontiert. Sie müs-

sen herausfinden, wie der Patient

oder der Bewohner entscheiden

würde, wenn es keine Aussicht

auf Besserung des Krankheitsver-

laufs mehr gibt: lebensverlängern-

de Maßnahme oder Abbruch der

Therapie. Hilfreich sind Patienten-

verfügungen, doch in vielen Fällen

sind diese in der jeweiligen Situa-

tion zu interpretieren. Ein einzelner

Mensch, egal ob Arzt, Angehöriger

oder Pflegeleitung, wäre überfor-

dert, müsste er diese Entscheidung

für einen Dritten alleine fällen. An

dieser Stelle sind viele Perspektiven

gefordert.

Der Patientenwille ist bindend

In schwierigen Situationen helfen

die Ethikkomitees und die Ethik-

teams. In den Krankenhäusern des

Cellitinnenverbundes gibt es ein

übergeordnetes Ethikkomitee. Vier

Mal im Jahr und zu einer Klausurta-

gung kommen Vertreter der Ethik-

teams aus den sechs Cellitinnen-

Krankenhäusern, ein Vertreter der

Geschäftsführungen, ein Jurist, ein

katholischer und ein evangelischer

Seelsorger unter dem Vorsitz der

Ethikreferentin Dr. Sylvia Klauser

zusammen. Das Ethikkomitee hat

die Aufgabe, hausübergreifend

ethische Handlungsempfehlungen

zu verfassen, beispielsweise zum

Umgang mit Patientenverfügungen.

Es gestaltet Fortbildungskurse in

den Häusern für interessierte Mit-

arbeiter sowie die Ethikteams und

koordiniert deren Arbeit in den Kli-

niken.

Die Zahl der regelmäßigen Treffen

der Ethikteams ist von Haus zu

Haus unterschiedlich. Die Teams

setzen sich aus verschiedenen Be-

rufsgruppen, Ärzten, Kranken- und

Gesundheitspflegern, Mitarbeitern

des Sozialdienstes, Seelsorgern

und Physiotherapeuten zusammen.

Sind Patienten schwerstkrank und

ohne eine Aussicht auf Besserung,

können die Ethikteams der Kliniken

von Mitarbeitern, Patienten oder

den Angehörigen beauftragt wer-

den, ein ‚ethisches Konsil‘ durch-

zuführen. Dabei wird sachlich und

unter Berücksichtigung aller medizi-

nischer, biografischer und sons-

tiger Aspekte versucht, den Willen

des Patienten in der besonderen

Situation herauszufinden. Auch

die Angaben in einer Patienten-

verfügung müssen auf die aktuelle

Situation bezogen werden. „Steht

dort drin, dass der Patient nicht

künstlich beatmet werden möchte,

gehen wir davon aus, dass dabei

eine dauerhafte künstliche Beat-

mung gemeint ist, nicht eine kurz-

zeitige nach einer Operation“, so

Dr. Klauser. „Wenn wir gemeinsam

zu dem Schluss kommen, dass der

Patient eine weiterführende Thera-

pie unter der gegebenen Prognose

nicht wünscht, ist es möglich, das

Therapieziel zu begrenzen. Dann

liegt unser Schwerpunkt darauf,

In Grenzsituationen entscheiden

Ethikkomitees und Ethikteams im Kranken- und Seniorenhaus

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CellitinnenForum 4/2015

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