SCHWEIZER GEMEINDE 12 l 2014
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Mitwirkungsrechte in
der beruflichen Vorsorge
Die berufliche Vorsorge in der Schweiz baut auf dem Prinzip der
Sozialpartnerschaft auf. Ausdruck davon ist insbesondere die Parität im
obersten Organ einer Vorsorgeeinrichtung.
Eine der Errungenschaften der beruflichen
Vorsorge in der Schweiz ist der Grundsatz
der Sozialpartnerschaft. Artikel 51 Abs. 1
des Bundesgesetzes über die berufliche
Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvor-
sorge (BVG) hält explizit fest, dass Arbeit-
nehmer undArbeitgeber das Recht haben,
in das oberste Organ derVorsorgeeinrich-
tung die gleiche Anzahl von Vertretern zu
entsenden. Beschlüsse zu den technischen
Kennzahlen einer Vorsorge-
einrichtung, wie der jährliche
Beschluss zur Verzinsung der
Altersguthaben derVersicher-
ten im Beitragsprimat oder
die Festlegung des reglemen-
tarischen Umwandlungssat-
zes werden gemeinsam, vonArbeitgeber
und Arbeitnehmer getroffen. Die Beteili-
gung der Arbeitnehmer bei diesen wichti-
gen Entscheiden ist mit ein Grund, dass
zahlreiche Vorsorgeeinrichtungen schon
heute einen reglementarischenUmwand-
lungssatz kennen, der deutlich unter den
gesetzlichen Werten liegt. Die Arbeitneh-
mervertreter im obersten Organ kennen
die Ursachen und die technischen Zusam-
menhänge und können die Notwendigkeit
der Entscheide nachvollziehen. Die Ent-
scheide im obersten Organ orientieren
sich damit an den Notwendigkeiten und
nicht an politischenWünschen.
Mitwirkung beimAnschluss an
eineVorsorgeeinrichtung
Die zunehmende Komplexität des BVG
führt seit einigen Jahren dazu, dass immer
mehr Arbeitgeber auf eine eigene Pensi-
onskasse verzichten und sich stattdessen
einer Gemeinschafts- oder Sammelein-
richtung anschliessen. DieMit-
wirkung der Arbeitnehmer ist
auch bei diesen Vorsorgeein-
richtungen gewährleistet. Die
Auflösung eines bestehenden
Anschlusses und der An-
schluss an eine neue Vorsor-
geeinrichtung sind gemässArtikel 11Abs.
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bis
nur im Einverständnis mit dem Perso-
nal oder einer allfälligenArbeitnehmerver-
tretungmöglich. Können sichArbeitgeber
undArbeitnehmer nicht einigen, sieht das
Gesetz den Entscheid eines neutralen
Schiedsrichters vor. Dieses Mitwirkungs-
recht der Arbeitnehmer ist seit dem 1. Ap-
ril 2004 klar im BVG geregelt und verleiht
den Arbeitnehmern in Fragen der berufli-
chenVorsorge eine starke Position.Vielen
Arbeitgebern ist dieses Recht aber nicht
bekannt. Bei aller Regelungsdichte, die im
BVG und in seinen Verordnungen heute
besteht, hat es der Gesetzgeber zudem
unterlassen, detailliert zu regeln, wie ge-
nau das Einverständnis derArbeitnehmer
eingeholt werden muss und ob das Ein-
verständnis einstimmig erfolgenmuss. Es
finden sich in der Rechtsprechung oder in
der Literatur auch keine Hinweise zu die-
ser Frage oder der Frage, was mit einem
Anschlussvertrag geschieht, der unter
Missachtung der Mitwirkungsrechte der
Arbeitnehmer zustande gekommen ist.
Dennoch empfiehlt es sich, als Arbeitge-
ber bei einer beabsichtigtenVeränderung
des Vorsorgeverhältnisses die Arbeitneh-
mer frühzeitig zu informieren und idealer-
weise in die Projektorganisation einzubin-
den. So kann gewährleistet werden, dass
das Einverständnis der Arbeitnehmer
nicht zum Stolperstein im Projekt wird.
Das Mitwirkungsrecht der Arbeitnehmer
führt im Übrigen auch dazu, dass bei der
Wahl einer neuen Vorsorgeeinrichtung
nicht das Submissionsrecht zur Anwen-
dung gelangt. Die Arbeitnehmer können
frei entscheiden und wären selbst bei der
Durchführung einer Submission nicht an
die entsprechenden Kriterien gebunden.
Gisela Basler, Communitas
«Mitwirkung
im obersten
Organ»
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